Ein grosser Desillusionierer: Nathanael West (17. Oktober 1903 - 22. Dezember 1940)

«Das wirkliche, unglaublich tolle Leben der Leute darin» lasse uns begreifen, «was für Schufte wir in diesem Jahrhundert geworden sind», sagt William Carlos William von seinen Büchern. Was vor allem für zwei an sich völlig unterschiedliche Werke Nathanael Wests gelten dürfte: «Miss Lonelyhearth» von 1933, die verrückte Story von einem Journalisten, der unter diesem Namen die Sorgenspalte einer New Yorker Zeitung betreut, durch die tristen Schicksale wider Willen zu einem tätigen Christentum bekehrt wird und als moderner Christus den Opfertod stirbt, als einer seiner Schützlinge ihn, eine liebevolle Geste missdeutend, abknallt. Und «Der Tag der Heuschrecke» (1939), der über Hollywood hereinbricht, als die Opfer der Massenkultur, die ständig mit Sensationen gereizt, aber nie befriedigt werden, sich zum Aufruhr zusammenrotten. «Sie merken, dass man sie übers Ohr gehauen hat, und bersten vor Wut. Tag für Tag haben sie die Zeitung gelesen und sind ins Kino gegangen; man hat sie mit Lynchjustiz, Morden, Sexualverbrechen, Explosionen, Schiffskatastrophen (...) gefüttert. Nichts kann mehr gewaltträchtig genug sein, um ihre erschlafften Sinne und Körper zu erregen. Man hat sie betrogen und verraten.» Kind jüdisch-litauischer Einwanderer, war Nathanael West am 17.Oktober 1903 in New York zur Welt gekommen. Und weil er ihn mitten in seiner Bilderfabrik miterlebte und mitfabrizierte - nach Jahren als Nachtportier verdiente er als Screen-Writer in Hollywood 400 Dollar pro Woche, während ihm seine Bücher total 1280 Dollar einbrachten -, durchschaute er den amerikanischen Traum auf fast schon masochistische Weise. Ob vielleicht sogar sein Tod noch eine Aussage in diese Richtung macht? Am 22.Dezember 1940 fiel er bei El Centro 37jährig einem selbstverschuldeten Autounfall zum Opfer - 24 Stunden nach dem Tod Scott Fitzgeralds, des andern grossen amerikanischen Desillusionierers...
(Auf deutsch sind Wests Bücher bei Diogenes greifbar)