Deutsch und jüdisch zugleich: Jakob Wassermann (1873-1934)

«Es ist vergeblich, für sie zu leben und zu sterben. Sie sagen: Er ist ein Jude.» 1921 bereits, in «Mein Weg als Deutscher und Jude», bringt Jakob Wassermann auf den Punkt, was er vom 10.März 1873, als er im bayerischen Fürth als Sohn eines Spielwarenfabrikanten geboren wird, bis zum 1.Januar 1934, als mit ihm im österreichischen Altausee der auflagenstarkste unter den vom NS-Regime verbrannten Dichtern stirbt, mit seinen deutschen Mitzeitgenossen erlebt. Nur in den Anfängen - «Die Juden von Zirndorf»/«Die Geschichte der jungen Renate Fuchs» (1897/1900) - behandelt der «Simplicissimus»-Lektor und Wiener Theaterkritiker jüdische Schicksale. Bald schon ist ihm der «Herolds- und Verkündigungsdienst» der Literatur «die schönste Form des Selbstvergessens» und setzt er Themen und Fragen um, die ein nach Hunderttausenden zählendes Lesepublikum unmittelbar berühren: die Vita eines Findlings, der an der Lieblosigkeit und Sensationsgier der Umwelt zugrundegeht («Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens», 1908); das unglückliche Leben und Lieben eines Musikers, der zuletzt Nächstenliebe, Rechtschaffenheit und Pflichtbewusstsein als wahre bürgerliche Tugenden erkennt («Das Gänsemännchen»,1915); die Wandlung eines Herrensöhnchens zum selbstlosen Franz von Assisi des Fabrikproletariats («Christian Wahnschaffe», 1919); die Brüchigkeit der modernen Ehe («Laudin und die Seinen», 1925), die Überwindung des Chaos und der Verlorenheit der modernen Existenz durch die Kräfte der Liebe und der religiösen Verinnerlichung in der Trilogie «Der Fall Maurizius» /«Etzel Andergast»/ «Joseph Kerkhovens dritte Existenz» (1928-1934). Welch letztere allerdings aus der Optik von Georg Warschauer schon im ersten Teil den Juden zynisch-illusionslos von allem Hoffen und Trachten ausnimmt: «Die Gesellschaft schliesst ihn aus, der Staat schliesst ihn aus, das körperliche Getto ist zu einem seelischen und geistigen geworden, man wirft sich in die Brust und nennt es Emanzipation.»