Zwischen Fox, Walzer und Jodel: Edith Sitwell (1887-1964)

Sie dichtete auf dem Landsitz Renishaw Hall im englischen Derbyshire: Dame Edith Sitwell, geboren am 7.September 1887, gestorben am 9.Dezember 1964. Aber sentimentalen Adelskitsch lieferte sie keinen. Genötigt, sich gegen ihre schreibenden Brüder Osbert und Sacheverell zu behaupten, war sie von Anfang an die radikalste Vertreterin jener englischen Lyrik, die von Baudelaire und Rimbaud her mit den Romantizismen und Klassizismen des viktorianischen Zeitalters aufräumte und sich der amerikanischen und kontinentalen Avantgarde anschloss. Ein erster Höhepunkt war 1922 ihr Gedichtband «Façade», der den Inhalt auf teilweise schlicht geniale Weise der Fassade der Form unterordnet und als Höhepunkt der experimentellen Lyrik in englischer Sprache bezeichnet werden kann. Wie wenig Edith Sitwell aber der experimentellen Art pour l'art zugehörte, zeigen der Zyklus «Gold Coast Customs» von 1929 - ein unmittelbar erschütternder, von den Trommeln Afrikas durchhallter Totentanz auf die Hybris Europas, und das nach einer mit Prosa überbrückten Krise ab 1940 entstandene Spätwerk, das von ihrem Mitgefühl für die Unterdrückten in aller Welt, aber auch für die Opfer von Auschwitz und Hiroshima zeugt und in einer berührenden «Elegy for Dylan Thomas» gipfelt. Nicht nur afrikanische Trommeln, auch europäische Tanzrhythmen hat Edith Sitwell bereits in ihren frühen Gedichten mit rein sprachlichen Mitteln verblüffend exakt umzusetzen vermocht. So den Walzer in Versen wie: «Daisy and Lily,/Lazy and silly, /Walk by the shore of the wan grassy sea/ Talking once more neath a swan-bosomed tree» bzw. den Foxtrott in den Zeilen: «Old/Sir/ Faulk,/Tall as a stork,/Before the honeyed fruits of dawn were ripe, would walk, /And stalk with a gun/The renard-coloured sun...» Nicht zuletzt aber hat Edith Sitwell in ihrem «Jodelling Song» auch den Jodel lyrisch-ironisch abgebildet: «Man must say farewell/To parents now,/And to William Tell,/And Mrs.Cow// Man must say farewells/To storks and Bettes, /And to roses's bells,/ And statuettes.»