Als Brecht 1928 «Die heilige Johanna der Schlachthöfe» schrieb, stand er unter dem Eindruck des Romans «The Jungle»/«Der Sumpf» von Upton Sinclair. In diesem Buch hatte der am 20.September 1878 in Baltimore geborene Amerikaner nach Literaturstudien und Anfän-gen als Krimiautor 1906 auf erschütternde Weise die empörenden Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen von Chicago dargestellt und damit auch tatsächlich etwas bewirkt: das amerikanische Parlament verschärfte die Lebensmittelgesetze, der Fleischkonsum ging drastisch zurück. Für den Sozialismus begeistert, wandte sich Sinclair in der Folge immer neuen Skandalzonen zu. In «King Coal» waren es 1917 die Missstände im Bergbau, in «Oil!» 1927 die Zustände in der kali-fornischen Ölindustrie, in «The Flivver King» nahm er sich 1937 kritisch der Fordwerke an, im Theaterstück «Singing Jailbirds» dra-matisierte er 1924 den Kampf der amerikanischen Gewerkschaften. Sensationell erfolgreich war er 1928 auch mit «Boston», dem Roman über den offensichtlichen Justizskandal in Sachen Sacco und Vanzetti. So erfolgreich er bei einem breiten Lesepublikum – nicht aber bei der Kritik! – mit seinen Büchern war: als er 1933 mit dem Slogan EPIC (End Poverty in California) kalifornischer Gouverneur werden wollte, scheiterte er und konnte die gerechtere Wirtschaftsordnung wiederum nur in einem Roman umsetzen: «Co–op»,  der Vision eines Staates als Selbsthilfekooperative. Sinclairs Summum opus ist der 11bändige, die Weltgeschichte zwischen 1913 und 1946 spiegelnde Romanzyklus um Lanny Budd, der 1940 mit «World’s End» begann und für dessen dritten Band, «Dragon’s Teeth», die Darstellung des Nationalsozialis-mus, er 1942 den Pulitzer-Preis bekam. Die Serie dokumentiert nicht zuletzt, wie der einst als «Muckraker» (Nestbeschmutzer) verschrie-
ene Autor sich allmählich zu einem Patrioten wandelte, der nach 1948 sogar in die Hassgesänge gegen den Kommunismus einstimmte und bei seinem Tod am 25.November 1968 kaum noch an den vor allem in Europa hoch verehrten kämpferischen Sozialkritiker erinnerte, der er einst gewesen war.