Ein Leben vor und nach Maigret: Georges Simenon

Er ist legendär, der pfeifenrauchende joviale Kommissar Maigret, der seine Fälle mit sturer Hartnäckigkeit und soviel Einfühlungsvermögen verfolgt, als hätte er das Verbrechen selbst geplant. Jean Gabin, Heinz Rühmann u.a. haben ihn im Film verkörpert und so den Erfolg, den Georges Simenon sich mit den millionenfach verkauften 75 Maigret-Romanen erschrieb, zum Kinoereignis gemacht. Die primäre Leistung aber bleiben der Drive und die psychologische Raffinesse dieser Romane, für die Gabriel García Marquez ihren Autor zum «wichtigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts» erklärte. Im übrigen gab es einen Simenon vor und einen nach Maigret. Ersterer war der am 13.Februar 1903 in Lüttich geborene Sohn eines Versicherungsagenten, der erst Konditor werden wollte und dann für die «Gazette de Liège» Polizeiberichte schrieb, ehe er als G. Sim einen ersten Roman publizierte, die Malerin Régine Renchon heiratete, nach Paris zog und bis 1933 für einen Kolportageverlag 200 Trivialromane schrieb. Im Krieg verfasste er Filmdrehbücher und wich 1945 als der Kollaboration Verdächtigter nach Übersee aus. Da aber begann der zweite Teil, das Leben nach Maigret, den er schon zwischen 1929 und 1932 erstmals hatte auftreten lassen, dessen Attraktivität er aber erst jetzt mit sich steigerndem weltweitem Erfolg zu nutzen begann, bis er 1972 mit «Maigret et Monsieur Charles» abrupt damit aufhörte. Denn dem beruflichen hinkte das private Glück bald einmal tragisch hinterher. Nach der Scheidung von Régine heiratete Simenon 1949 die Kanadierin Denise Ouimet, die ihm schon 1948 einen Sohn geboren hatte und ihm noch zwei weitere Kinder schenken würde und mit der sich bis 1955 in Connecticut und dann in Lausanne ein Familienidyll in Wohlstand und Berühmtheit einzustellen schien. 1964 aber verliess ihn Denise nach schweren Differenzen und begannen jene Jahre, die 1978 mit dem Selbstmord seiner Tochter Marie-Jo den Tiefpunkt erreichten und die er auf erschütternde Weise in seinem letzten Werk, den «Mémoires intimes», beschrieb. Vom Tod des 86jährigen am 4.September 1989 in einem Lausanner Hotel hörten selbst seine Söhne erst aus der Presse, so sehr hatte sich der teilweise Gelähmte mit seiner letzten Gefährtin, der Italienerin Teresa, aus allem zurückgezogen.