Don Juan 1903: George Bernhard Shaw (1856-1950)

«Ich werde halt langsam alt & habgierig & handle gern mit Kapital, statt mich bemuttern zu lassen wie der normale Trottel von Autor», kommentierte George Bernard Shaw, 48, den Kommissionsvertrag, den er 1903 für sein restliches Werk mit Archibald Constable abschloss. «Men and Superman» hiess die erste Frucht der Kooperation, ein Don-Juan-Schauspiel von 270 Buchseiten, «ein ungeheures Stück, aber nicht für die Bühne dieser Generation.» «Das ist nicht das Glück, sondern der Preis, um den die Starken ihr Glück verkaufen», bekundet John Tanner, als er sich zur Heirat mit Ann Whitefield bereitfindet. In Spanien, nach einer endlosen Liebesjagd, hat sie ihn mit allerlei Intrigen endlich zur Strecke bzw. in ihre Arme gebracht, den modernen Don Juan, der vom Verfolger zum Verfolgten geworden ist, sich seiner intellektuellen Fähigkeiten wegen aber dennoch besser als all die Pseudo-Supermänner des Stücks dazu eignet, die Menschheit in Richtung jener «life force» weiter zu führen, in der sich die schöpferische Intelligenz unabhängig von der Materie frei entwickeln kann. «Einen Vater für den Übermenschen», fordert Doña Anna im Mittelteil des Stücks, der Don Juan in der Hölle mit dem Teufel über die Ehe diskutieren lässt. Und bringt damit den Konflikt zwischen emanzipierter Frau und Künstler auf den Punkt, den Shaw, eben selbst im Hafe der Ehe gelandet, in seinem provokantesten philosophischen Stück zu Gunsten einer radikalen Trennung von Ehe und Kinderkriegen lösen will. «Ich erkläre feierlich, dass ich kein glücklicher Mensch bin», sagt Tanner in seinem Heiratsantrag, der eigentlich eine Kapitulation vor der Frau ist. Und Salatschüsseln, Tranchiermesser und all die andern Hochzeitsgeschenke wird er verkaufen, um aus dem Erlös eine Neuauflage seines «Katechismus' des Umsturzes» zu finanzieren.