Gott hat sein Gesicht im Schlaf gestreichelt: Bruno Schulz (12. Juli 1892 - 19. November 1942)

«Schwarzen Donnerstag» nannten Überlebende des Ghettos von Drohobycz den 19.November 1942, als die Gestapo in den Strassen des polnischen Städtchens in wenigen Stunden ohne jeden Grund 230 Juden erschoss. Einer der Mörder, SS-Scharführer Karl Günther, brüstete sich später, den Schützling seines Erzfeindes, des SS-Offiziers und «Referenten für Judenfragen», Felix Landau, abgeknallt zu haben. Dieser hatte den Mann, bevor er dazu zu schwach wurde und nur noch zur Katalogisierung geraubter Bücher zu gebrauchen war, gegen etwas Brot und Suppe Fresken an die Wände seines Kinderzimmers und des Gestapo-Kasinos malen lassen. Bruno Schulz, so hiess der Ermordete, hatte mit seiner eigenwilligen, ins Metaphysisch-Kabballistische ausgreifenden Kunst schon vor der deutschen Besetzung kaum Erfolg gehabt. Die «Zimtläden» von 1933, in denen er um die Figur seines Vaters herum eine galizische Kleinstadt zum phantastisch-skurrilen Panoptikum des menschlichen Träumens und Leidens machte, fanden wie die Fortsetzung, «Das Sanatorium zur Todesanzeige» (1937), über Polen hinaus kein Echo, und als er dazu überging, Deutsch zu schreiben, griff er nicht weniger ins Leere: Thomas Mann, dem er 1938 die Novelle «Die Heimkehr» schickte, blieb stumm, und als 1940 die in Lemberg domizilierte Zeitschrift «Neue Horizonte» einen Text als ungeeignet abwies, hiess das Verdikt «Wir brauchen keine Prousts». Bereits 1938 hatte Schulz auch als Künstler resigniert. Aus Paris, wohin er mit 100 Zeichnungen gereist war und wo er die 1600 Francs für eine Ausstellung nicht hatte aufbringen können, war er frustriert zurückgekehrt und hatte viele jener Blätter verschenkt, die inzwischen seinen Ruhm ausmachen. Denn wer heute eine Zeichnung oder einen Text von ihm zur Hand nimmt, wird bestätigt finden, was David Grossmann formuliert hat: dass Bruno Schulz zu jenen gehörte, «deren Gesicht Gott mit seiner Hand im Schlaf gestreichelt hat, so dass sie sehen, was sie nicht sehen, sich mit Einfällen und Vermutungen füllen und an ihren geschlossenen Lidern die Reflexe ferner Welten vorbeiziehen.»