Stalin hielt seine Hand über ihn: Michael Scholochov (24. Mai 1905 - 21. Februar 1984)

«Genosse Scholochov beging im ,Stillen Don' eine Reihe gröbster Fehler. Aber ergibt sich vielleicht daraus, dass dieses Werk es verdiene, zurückgezogen zu werden?» Stalin sorgte dafür, dass es 1940 mit Band IV vollständig erscheinen konnte: das Schlüsselwerk des Sozialistischen Realismus, die romanhafte Verbrämung des Siegs des Kommunismus über Zarismus und Reaktion, verknüpft mit einer fiktiven Familienchronik aus dem Kosakenmilieu und einer berührenden Lovestory zwischen der Hauptfigur, dem unbelehrbaren Revolutionsgegner Melechov, und der kosakischen Frauenrechtlerin Aksinja Astachova. Und tatsächlich machen jene «gröbsten Fehler», von denen Stalin sprach, nicht nur den «Stillen Don», sondern auch andere Werke des am 24. Mai 1905 geborenen und am 21.Februar 1984 verstorbenen Literaturnobelpreisträgers von 1965, Michael A. Scholochov, noch am glaubwürdigsten. So steht dem durch und durch antikommunistischen Protagonisten des «Stillen Don» im andern grossen Epos, «Neuland unterm Pflug» (1932/1960), ein völlig korrumpierter, rücksichtslos machiavellistischer KP-Sekretär namens Nagulnov gegenüber und war Scholochov mit Sicherheit dann am schlechtesten, wenn er, wie in der 1942 in der «Pravda» publizierten «Schule des Hasses», stramm auf Parteikurs ging. Obwohl Parade-Kulturfunktionär par excellence, entging Scholochov der Säuberung nicht: 1953 musste er Hand bieten, den «Stillen Don» in einer parteikonformen, entschärften Fassung neu zu publizieren. Die schwerste Niederlage aber musste er von Seiten jener Dissidenten einstecken, die er noch 1966, als Mitglied des Zentralkomitees, scharf gemassregelt hatte. Alexander Solschenizyn und Roy Medwedjew legten 1974 untrügliche Beweise dafür vor, dass zumindest die beiden ersten Bände von «Der stille Don» nicht von Scholochov selbst, sondern vom Kosakenführer Fjedor Krjukow stammten, der 1920 starb und, was jene «gröbsten Fehler» unmittelbar plausibel macht, gegen die Rote Armee gekämpft hatte.