«Ich kann das Geschwafel von der 40-Stunden-Woche einfach nicht mehr hören: meine Woche hat immer 100 Stunden gehabt», erklärte Arno Schmidt 1973, als ihm der Frankfurter Goethe-Preis überreicht wurde. Womit er natürlich nicht die Arbeit als Buchhalter meinte, die der am 18.Januar 1918 in Hamburg geborene Sohn eines Polizisten bis 1940 bei den Greiff-Werken in Görlitz ausübte, und auch nicht die Tätigkeit als Dolmetscher nach dem Krieg. Nein, Schmidt ging es um das Schreiben, das er ab 1946 zum Beruf gemacht hatte und bis zu seinem Tod am 3.Juni 1979 in Bargfeld auf eine äusserst pro-duktive Weise betrieb. Dabei haben seine seit 1949 erschienenen 17 Prosawerke meist eine ganz einfache Handlung, ufern aber genialisch in alle Richtungen aus. So handelt der im «Kaff» Giffendorf angesiedelte, 1960 publizierte Roman «Kaff auch Mare Crisium» vom Landaufenthalt eines jungen Paares, wechselt aber immer wieder zu einer Gruppe von Astronauten über, die die Apokalypse überlebt haben. Sein letztes Buch, «Abend mit Goldrand» (1975), wiederum durchzieht eine wilde Schar exzentrischer Figuren, die Szenen von Hieronymus Bosch nachspielen. All das aber stellt der 1970 als Originalty-poskript vervielfältigte, 1330 Seiten um-assende Roman «Zettels Traum» restlos in den Schatten. Die 24 Stunden, die das Übersetzerpaar Paul und Wilma Jacobi und ihre 16jährige Tochter Franziska 1968 beim Ich-Erzähler, dem Schriftsteller Daniel Pagenstecher, im Dörfchen Ödingen verbringen, weiten sich auf der Basis von Schmidts 120 000 Notizzetteln zu einem alles übersteigenden Pandämonium der abendländischen Kul-tur- Psychologie-, Literatur- und Musikgeschichte aus, in des-sen Mittelpunkt der mit Hilfe der ad absurdum geführten Freudschen Psychoanalyse als verkappter Erotiker entlarvte Edgar Allan Poe steht. Der Riesenwälzer, für den Schmidt höchstens 400 Leser zu finden meinte, ist bei aller Rätselhaftigkeit und schwierigen Lesbarkeit längst zu einem der meistdiskutierten Texte der jüngeren deutschen Literaturgeschichte geworden.