1965 war der richtige Zeitpunkt, um ein Werk mit dem Nobelpreis zu krönen, das die Geschichte Russlands am Beginn des 20.Jahr-hunderts ebenso unmittelbar-persönlich wie kritisch-distanziert zum Roman verarbeitet: die 1963 vollendete sechsbändige «Erzählung vom Leben», in welcher der am 31.Mai 1892 geborene und am 14.Juli 1968 verstorbene Konstantin Paustowski die Zeit zwischen seiner Kindheit und dem Tod Lenins anhand unzähliger realer und erfundener Personen in aller Dramatik und Vitalität aufrollt. Band 1, «Ferne Jahre», war 1946 erschienen und hatte dem jahrzehnte-langen Suchen und Experimentieren Paustowskis als unverkenn-bares Meisterwerk ein Ende bereitet. Die Aufforderung, sich um Gerechtigkeit zu kümmern, die ein Apotheker ihm mit auf den Weg gab, hatte allerdings für die offizielle Akzeptanz des Buches fatale Folgen, und so dauerte es neun Jahre, bis im Tauwetter nach Stalins Tod Band 2, «Unruhige Jugend», erscheinen konnte. Wieder hielt sich der Autor ganz zurück, aber die geschilderten Tätigkeiten als Strassenbahner, Fabrikarbeiter, Fischer und Reporter brachten ihn mit einer Vielzahl von Menschen in Berührung, deren Erfah-rungen, mosaikartig gebündelt, ein eindrückliches Zeitpanorama ergeben. Band 3, «Beginn eines unbekannten Zeitalters», doku-mentierte 1958 die Oktoberrevolution von 1917, Band 4, «Die Zeit der grossen Erwartungen»,1959 die Aufbruchstimmung nach 1918, während Band 5, «Sprung nach Süden», 1961 den Blick nach Batum und Tiflis ausweitete, wo Paustowski 1920 lebte und in der Begegnung mit Isaak Babel zum eigenen Stil fand. Band 6 schliesslich, «Buch der Wanderungen», spielt in Kiew, Moskau und Leningrad, wo er der Beerdigung Lenins beiwohnte und durch Gorki im Glauben an die Kraft des Worts bestärkt wurde.
Die Hoffnung auf den Nobelpreis 1965 trog dann allerdings. Auf Druck aus Moskau und weil man 7 Jahre nach Pasternak nicht erneut einen Dissidenten ehren wollte, erhielt nicht Paustowski, sondern der regimetreue Michail Scholochov, der wenige Jahre später des Plagiats bezichtigt werden sollte, den Zuschlag.