«Wenn du denkst, dass ich deinen Dreck unter meinen Namen nehme, dann irrst du dich!» So soll Lisa Tetzner, «die wohl beste Märchenerzählerin Deutschlands» (Hermann Hesse), reagiert haben, als Ehemann Kurt Kläber ihr 1937 sein erstes eigenes Jugendbuchmanuskript vorlegte. Kläber, deutscher Berufsrevolutionär und Arbeiterpoet («Barrikaden an der Ruhr»,1925), lebte seit 1933 als Bauer in Carona und hatte im Gegensatz zu seiner Frau, deren Arbeiten als unverdächtig galten, striktes fremdenpolizeiliches Schreibverbot.
Das Schicksal jener nach Mailand verkauften Tessiner Kaminfegerjungen, das Lisa Tetzner für die Jugend nachgestalten wollte, hatte ihn aber unversehens derart gepackt, dass er sich ihren Entwurf heimlich vornahm und zu einem dicken Roman verarbeitete. So ganz daneben konnte er dabei nicht gehauen haben, denn «Die schwarzen Brüder»wurden, als Lisa Tetzner ihnen nach massiver Kürzung und Veränderung dann doch ihren Verfassernamen lieh, ein grosser Erfolg.
Eine eigentliche Sternstunde aber erlebte die Jugendliteratur, als Kurt Kläber aus dem Schatten Lisa Tetzners heraustrat. In der Meinung, auf solch harmlosem Gebiet könne der argwöhnisch beobachtete Bolschewist ja nichts Dummes anrichten, hatten die Behörden Kläber 1940 gestattet, «ein Knabenbuch» zu schreiben. Der Roman «Die rote Zora», den er 1941 unter dem Pseudonym Kurt Held veröffentlichte, war dann aber, obwohl er sämtliche Vorzüge eines spannenden, phantasievollen und glanzvoll geschriebenen Jugendbuches besass, alles andere als harmlos. In die Geschichte vom rothaarigen Albanermädchen Zora, das mit einer Bande verschupfter und verstossener Kinder in der kroatischen Stadt Senj gegen die wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit kämpft und zuletzt sogar den Sieg über die Erwachsenenwelt davonträgt – in diese Geschichte hat Kläber nämlich nichts weniger als sein ganzes revolutionäres Engagement, seinen Gerechtigkeitssinn und seine Hoffnung auf eine bessere Welt hineingepflanzt!
Dass dies verstanden worden ist, zeigt der erstaunliche, noch immer anhaltende Erfolg dieses Romans, dessen Beliebtheit nicht zufällig in den Jahren der antiautoritären Erziehungsbewegung ihren Höhepunkt erlebte.
Kurt Kläber, der 1948 zusammen mit Lisa Tetzner Bürger von Carona wurde, hat nach dem Krieg unter dem Decknamen Kurt Held weitere meisterliche Jugendbücher geschrieben: «Der Trommler von Faido», «Matthias sind seine Freunde», «Alles für zwanzig Rappen»und die neapolitanische Tetralogie «Giuseppe und Maria». Und wenn er damit auch den Erfolg der «Roten Zora»nicht wieder erreichte, so dokumentieren diese Werke mit ihrem sozialkämpferischen Impetus insgesamt doch aufs schönste, wie es hier einem Autor gelungen ist, den hoffnungsvollen, aber von den Nazis abgewürgten gesellschaftlichen Aufbruch der zwanziger Jahre im Jugendbuch neu aufleben zu lassen und mit unverwüstlichem Optimismus an die Kinder neuer Generationen heranzutragen.