«Es hat ein Gott mich ausgekotzt»: Klabund (4.November – 14.August 1928)

Einen «Schriftstellereibesitzer mit langjährigem Dampfbetrieb» hat Alfred Henschke, der unter dem Namen Klabund - «eine Kreuzung von Klabautermann und Vagabund» - 76 Bücher veröffentlichte, sich selbst einmal genannt. Wobei «langjährig» einer seiner traurigen Zynismen war, erlag er doch am 14. August 1928 mit gerade mal 30 Jahren in Davos jener Lebens- und Todeskrankheit, die ihn zu immer rastloserem Schaffen getrieben, nein: verdammt hatte. Klabunds Gedichte -1500 an der Zahl! - sind kongeniale Nachdichtungen aus dem Chinesischen, zärtliche Liebeslieder an Brunhilde, seine früh verstorbene erste Frau, pfiffige Kabarettsongs für die zweite, Carola Neher, chauvinistische Soldatenlieder für die Füsiliere des 1.Weltkriegs, aber auch bitterböse Abrechnungen mit der Weimarer Rechten und nicht zuletzt Gotteslästerliches, das die Zensur auf den Plan rief: «Es hat ein Gott mich ausgekotzt, / Nun lieg ich da, ein Haufen Dreck, / Und komm und komme nicht vom Fleck.» Ganz anders wieder seine Romane, die wie seine zwei Literaturgeschichten seine profunde Gebildetheit verraten. Einen «Moreau», einen «Mohammed», einen «Franziskus», einen «Rasputin» schrieb er, und nirgends wird so scharf mit der Dekadenz der Weimarer Republik abgerechnet wie in «Borgia», dem italienischen Fürstenroman, der wie «Bracke», der Roman des selbstlosen Altruisten in Person, postum als «Roman der Erfüllung» herauskam. Mehr als ein Gerücht aber ist der einst sensationell berühmte Klabund bald 100 Jahre später nicht mehr, denn das von den Nazis verhängte Verdikt eines «Asphaltliteraten» ist der Vielschreiber aus Leidenschaft und Sterbegründen nach 1945 nicht wieder losgeworden, als sein geliebtes Berlin in Trümmern lag, Humor als unzeitgemäss galt und die Amerikaner sogar gegen die Tuberkulose, die ihn getötet hatte, das endgültige Heilmittel ins alte Europa brachten.