Isabella Kaiser 1866–1925

Mit fünfzehn schrieb sie in Genf ihren ersten Roman, die am 1. Oktober 1866 in Beckenried geborene Tochter des aus Zug stammenden Genfer Grossrats und Gründers der Zeitung «La Suisse», Fernando Kaiser. Auch als die Familie nach Zug zog, wo sie die deutsche Sprache erst lernen musste, vertraute Isabella Kaiser ihre Sehnsüchte weiterhin schwärmerischen französischen Gedichten wie jenen des Bandes «Ici – bas» an, der 1888 in Genf erschien. Im gleichen Jahr schrieb sie aus Enttäuschung über die Treulosigkeit eines Geliebten ihren ersten Roman: «Cœur de femme» («Rahels Liebe»), die Geschichte einer Frau, die ihren Liebeskummer karitativ nutzbar macht und ihr Leben in keuscher Entsagung dem Dienst am Kranken weiht. Noch deutlicher autobiografisch war «Marcienne de Flüe» («Die Friedenssucherin»), ein Roman, der 1908/09 fast gleichzeitig auf Deutsch und Französisch erschien. Isabella Kaiser schwor jedenfalls auch persönlich der irdischen Liebe ab und lebte seit 1902 zurückgezogen in ihrer Beckenrieder Dichterklause «Ermitage». Dort empfing sie Freunde wie Carl Spitteler oder Ernst Zahn als eine Art poetische Traumtänzerin: eingehüllt in ein antikisierendes weisses Schleppgewand, die rabenschwarzen Schmachtlocken wild über das leidgeprüfte, ernste Gesicht verteilt. Sprachlich blieb sie bis zuletzt dem Dualismus zwischen Französisch und Deutsch treu, von dem sie sagte, er sei ihrem Wesen eigen, «ohne es zu zerteilen». Von ihren 29 Büchern sind 15 deutsch und 14 französisch geschrieben, in Paris und in Berlin war sie eine Berühmtheit, und auch in der Schweiz vermochte sie das Publikum bei ihren seltenen Auftritten spielend in ihren Bann zu schlagen. «Wenn diese weiche, warme Stimme zu klingen beginnt in dunklen Lauten mit einem leisen, pikanten französischen Akzent», resümierte etwa ein Berichterstatter über eine Aarauer Soirée vom 3. Dezember 1908, «dann vergisst man die Welt und die Menschen um sich und lauscht nur und möchte immer lauschen und sich von diesen seelenvollen Tönen forttragen lassen in ein Land voll Pracht und Schönheit.» Dennoch vermochte nach ihrem Tod am 17. Februar 1925 kaum eines ihrer Bücher dem Staub der Zeit zu trotzen. Am stilsichersten war sie noch in einigen fast schon volkstümlichen Gedichten sowie in kurzen Novellen wie «Der Herr Marquis» oder «Der Leuchtturm» – raffiniert gebauten Kabinettstücken, in denen ihr Hang zu Pose und Theatralik sich ungeniert ausleben konnte. Ganz selten nur, wenn unter unaufhörlichen Gefühlsausbrüchen die existenzielle Not einer zutiefst einsamen Seele durchzuschimmern vermag, machen auch die autobiografischen Texte noch betroffen. Zweifellos hat die ewig kränkelnde Frau eine zu grosse Bürde auf sich genommen, als sie in geschmacklich ohnehin verunsicherter Zeit trotz eher dürftiger Bildungsvoraussetzungen in zwei Sprachen gleichzeitig reüssieren wollte. Was sie zu sagen hatte und wie sie es zu sagen vermochte, deckte sich kaum mit dem exzentrischen Gehabe einer «Priesterin der Dichtkunst», als welche sie allerdings immer wieder Furore machte. So verbreitete sich anlässlich einer Visite bei C. F. Meyer, den sie mit Spitteler zusammen aufsuchte, in Kilchberg sofort das Gerücht, die spanische Exkönigin Isabella und ihr Liebhaber Carlos Marfori seien im Dorf gesichtet worden ...