Er schrieb den «Hasenroman»: Francis Jammes (1868-1938)

Mitten in einer tödlichen Verfolgungsjagd begegnet der Hase dem heiligen Franziskus und zieht von da an mit den andern zahmen Tieren zusammen sorglos durch die Landschaft der Pyrenäen, ja der Heilige trägt ihm schliesslich sogar auf, die Hunde ins Hundeparadies, die Schafe ins Schafsparadies, die Tauben ins Taubenparadies zu führen - und doch lautet des Hasen Bitte am Ende nicht «Schenk auch mir mein Paradies», sondern «Gib mir meine Erde wieder, meine Furchen voll Kot, meine lehmigen Pfade... Gib mir meine Angst wieder. Meinen Schrecken gib mir wieder. Gib mir die blaue Nachlese im Mondschein zurück und mein furchtsam heimlich Liebesspiel in den wilden Ampfern... » 1903 ist er auf Französisch erstmals zu lesen gewesen, der «Hasenroman», und auch wenn Jakob Hegners Übersetzung von 1916 längst eine Auffrischung brauchen könnte, hat das seltsam kindlich-franziskanische, warmherzig-berührende Tier-, Landschafts- und Märchenbuch noch immer nichts von seinem Zauber verloren. Ob Pflanze oder Tier: alles ist beseelt. Gott ist ein alter Landstreicher, und die Aura des Heiligen und Poetischen, die das Ganze durchwirkt, ist noch nicht mit der christlichen Konfession verbunden, der sich Francis Jammes (1868-1938), denn von ihm stammt der «Roman du lièvre», kurz darauf unter Claudels Einfluss endgültig verschrieb. «Ich habe die Seele eines Fauns und eines jungen Mädchens», sagte der Baske mit den karibischen Vorfahren von sich selbst, und neben dem «Hasenroman» waren es die ebenso kurzen melancholischen Mädchenbücher «Almaïde d'Entremont», «Pomme d'Anis» und «Clara d'Ellébuse», die Rilke 1910 in den «Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge» sein berühmtes «Ich sitze und lese einen Dichter» schreiben liessen. Und: «Der klingt wie eine Glocke in reiner Luft... Gerade der Dichter ist es, der ich hätte werden wollen.»