Arthur Honegger *1924

Schreib doch mal ein Buch», riet der Historiker Marcel Beck 1970 dem damals 46-jährigen Arthur Honegger, dessen «Blick»-Reportagen über den Auschwitz-Prozess und den Sechstagekrieg von 1967 er bewunderte, «die dreissiger Jahre in der Schweiz sind ein völlig unbeackertes Feld, da sollte man was machen.» Honegger, inzwischen Chefredaktor des «Diners Club Magazine» und mit Frau und drei Kindern in Bülach lebend, setzte sich hin und schrieb «Freitag oder die Angst vor dem Zahltag»: eine brisante Sozialstudie über die Krisenzeit im Zürcher Oberland, die weder die Frontenbewegung noch den Antisemitismus tabuisiert. Als der Roman 1976 erschien, war er bereits Honeggers zweites Buch, denn in der Zwischenzeit hatte die eigene Vergangenheit ihn eingeholt und ihm jenen Bericht abverlangt, der seine Kindheit und Jugend als Verdingbub und Insasse von Erziehungsanstalten behandelte: «Die Fertigmacher» von 1974. Wobei die im Titel genannte Spezies nicht nur den Heiminsassen das Leben schwer machte, sondern die ehemaligen Zöglinge später noch jahrelang verfolgte und mittels Denunziation an einem normalen Leben hinderte. Bis 1972 ein gewisser Fankhauser in Bülach auftauchte, um Honegger als «Ehemaligen» zu «entlarven», und dieser sich sagte «Jetzt reicht’s» und dazu überging, die fiese Anstaltsmafia in seinem – bald sensationell erfolgreichen – Buch ihrerseits zu denunzieren. In «Der Ehemalige» (1978), «Wegmacher» (1982) und «Bernies Welt» (1996) hat Honegger später die Lebensgeschichte dieses Alter Egos Bernie Oberholzer, der auf der letzten Seite der «Fertigmacher» in eine unsichere Zukunft entlassen wird, auf nicht weniger eindrückliche Weise weitererzählt. Aber die am eigenen Leib erlebten Defizite hatten ihn auch hellhörig und sensibel für jede Art von Unrecht gemacht, das die Menschen, ob früher oder heute, erleiden oder erlitten haben. Was eindrucksvoll sichtbar wird in Büchern wie «Alpträume», dem Roman über die chauvinistische politische Ausschlachtung der Fremdenfeindlichkeit (1981), «Der Weg des Thomas J.», wo schon 1983 das Elend der Drogenabhängigkeit thematisiert ist, «Armut» von 1994, wo die Not der dreissiger in der ebenso beklagenswerten neuen Armut der neunziger Jahre wieder auflebt, oder «Bühler»(2002), wo das heisse Eisen der moralischen Schweizer Mitschuld am Holocaust angepackt ist. Ein blosser Schwarzmaler aber ist Arthur Honegger, der bis vor Kurzem auch immer wieder als Journalist arbeitete, eine Zeit lang St. Galler Kantonsrat war und in seiner heutigen Wohngemeinde Krummenau SG sogar eine Theatergruppe leitete, nie gewesen. Überall gibt es auch fröhlichere Partien, und Romane wie «Der Schulpfleger» (1978), «Der Nationalrat» (1980) oder «Der fremde Fötzel» (1992) nehmen den politischen Schweizer Alltag auf belustigend-satirische, aber darum nicht weniger träfe Weise auf die Schippe. 2009, in «Bedrohliche Tage», rief Honegger anschaulich die Mobilmachung vom Herbst 1939 in Erinnerung. In seinem jüngsten Buch aber, «Wovon ich rede» von 2012, kommt er darauf zurück, wie er als junger Mensch «mit Gewalt zum Normalbürger zurechtgestutzt» wurde. Es gibt in ihrer unbeschönigten Art erschütternde Szenen in diesem Buch, und man versteht leicht, dass Honegger damit nochmals das «Thema seines Lebens» aufgreift, von dem er auf der letzten Seite sagt: «Es treibt mich um, bis ich nicht mehr da bin.»