Zeitlos in einer verunsicherten Epoche: Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)

«Erster Akt ausgezeichnet. Herzlichen Dank und Glückwünsche. Treu ergeben Dr. Richard Strauss», lautete das Telegramm und bestätigte den Empfang des Librettos zu «Arabella». Aber Hugo von Hofmannsthal hat es nicht mehr selbst geöffnet, denn just an diesem 15.Juli 1929 erlag er, 55jährig, unvermittelt einem Schlaganfall, als er zur Beerdigung seines Sohnes Franz aufbrechen wollte, der zwei Tage zuvor Selbstmord begangen hatteā€¦ Das tragische Ende traf einen Mann, der in der Erinnerung unzähliger als Schöpfer eines (vielfach von Richard Strauss vertonten) Werks von stupender Schönheit, heiterer Gelassenheit und leiser Melancholie überlebt hat: «Der Rosenkavalier», «Ariadne auf Naxos», «Die Frau ohne Schatten», aber auch «Der Schwierige», «Der Unbestechliche» und «Jedermann», das 1911 uraufgeführte Mysterienspiel, das der Mitgründer der Salzburger Festspiele ab 1920 Jahr für Jahr an diesem Ort spielen liess. Als Loris Melikow hatte der 16-jährige 1890 in der Zeitschrift «Die Schöne Blaue Donau» sein erstes Sonett, «Frage», veröffentlicht, dem die bunte Fülle eines Frühwerks folgte, das die Themen Zeit und Vergänglichkeit, Schein und Sein ästhetisch brillant abhandelte und dem Arthur Schnitzler 1891 neidlos zugestand: «Bedeutendes Talent, ein siebzehnjähriger Junge, Loris, Wissen, Klarheit und, wie es scheint, auch echte Künstlerschaft, es ist unerhört in dem Alter.» Hofmannsthal selbst wusste um die Tragik, ein Nachgeborener zu sein. «Also spielen wir Theater, / Spielen unsre eignen Stücke, / Frühgereift und zart und traurig, / Die Komödie unsrer Seele», heisst es im Prolog, den er zu Schnitzlers desillusionierendem Liebesreigen «Anatol» schrieb. Vom L'Art pour l'Art eines Stefan George löste sich der Verehrer Eleonore Duses jedoch bald wieder und machte 1902 im «Chandos-Brief» eine Schaffenskrise zur Geburtsstunde der modernen sprachskeptischen Literatur von Trakl und Kafka bis Benn und Celan. Er selbst aber vermochte sein Wunderkinddebüt in ein Œuvre überzuführen, das gerade deshalb zeitlos ist, weil es in einer verunsicherten Gegenwart mit glanzvoll ästhetischen Mitteln nochmals die grosse literarische Tradition in Erinnerung rief.