Ins Groteske gekippter Kafka: Fritz von Herzmanovsky-Orlando (1877-1954)

Ob sie wirklich den «behäbigen Nilpferdfiaker des Alltags mit dem goldglitzernden Libellengespann des Traumlebens vertauschen» wolle, fragte Fritz von Herzmanovsky-Orlando 1909 auf ihre Annonce hin seine künftige Frau, die als «Carmen» mit andern Epheben zusammen bald im Zentrum seines Androgynenkults stehen sollte. Nach einer Tuberkulosekur in Ägypten lebten sie ab 1916 in Meran, wo der Architekt, der künstlerisch Alfred Kubin, ideell dem Kosmiker Karl Wolfskehl, dem Rassenmetaphysiker Lanz-Liebenfels und dem «Ariogermanen» Guido List nahestand, genialisch-phantastische Romane schrieb, von denen Friedrich Torberg sagen sollte, es sei «hintüber ins Groteske gekippter Franz Kafka». Zu Lebzeiten in den Handel kam nur «Der Gaulschreck im Rosennetz» von 1928, eine im alten Österreich spielende Groteske, in welcher der Edle von Eynhuf an einem Maskenball in Schmetterlingskleidung ins Netz der als Rosenbukett maskierten Schauspielerin Höllriegel gerät, deren Milchzähne er mit andern zusammen dem Kaiser schenken will. Erst posthum kam der zweite Roman, die Gespensterschiffstory «Rout am Fliegenden Holländer», heraus, und auch «Das Maskenspiel der Genien», eine in Tarockanien spielende Parabel über das Mysterium der Liebe zwischen Leben und Tod, kam, allerdings arg verstümmelt, erst in der Werkausgabe von 1954 heraus. Nach 1980 erst entdeckte man Herzmanovsky mit «Zerbineltas Befreiung» oder «Sellawie oder Hamlet, der Osterhase» auch als Dramatiker. 1937 noch hatte ein Verlag gemeint, sein «Hamlet» sei zum Totlachen, gehöre aber «weniger aufs Theater als aufs Kabarett». Kurz bevor Herzmanovsky am 27.Mai 1954 starb, brachte ihn eine kriminelle Zürcher Maklerin um den Rest seines Vermögens. Schon 1943 hatte er mit der Pantomine «Princess Europa» auf Zürich gesetzt. Aber obwohl Herzmanovsky sich als Intendant des Meraner Stadttheaters und Nachkomme von Schweizern ausgab, hatte das Stadttheater sich für das kuriose Werk nicht erwärmen können.