Moabiter Sonette: Albrecht Haushofer (7. Januar 1903 - 23. April 1945)

In der Nacht auf den 24. April 1945, man konnte die Russen bereits hören, tötete die SS auf dem Gelände der Universum-Landesausstellung hinter dem Gefängnis Berlin Moabit 14 Häftlinge durch Genickschuss. Einer von ihnen war Albrecht Haushofer, geboren am 7.Januar 1903, Halbjude, ehemals Protégé von Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess, bis 1938 für das Auswärtige Amt in geheimer Mission in aller Welt unterwegs, seit 1940 Professor für Politische Geographie in Berlin, verdächtigt des Umgangs mit den Verrätern der «Roten Kapelle», nach dem 20.Juli 44 als Mitverschwörer verfolgt, seit Dezember 44 in Moabit inhaftiert. Der Krieg war längst zu Ende, als Haushofers Bruder den Toten fand. Die Hände waren um ein Heft gekrampft, das den Titel «Moabiter Sonette» trug und so, wie es 1946 in Buchform veröffentlicht wurde, eines der ganz wenigen literarischen Zeugnisse des deutschen Widerstands darstellt. 79 Gedichte sind es, im Winter 44/45 im Gefängnis geschrieben, aus dem es für den Autor nur noch drei Auswege gab: «den deutschen Strick», «die Russenkugel» oder «die Britenbombe». Sokrates, Boethius, Albert Schweitzer stehen als Vertreter einer humanen Welt dem Werk der Zerstörung gegenüber, das Hitler, dieser Rattenfänger von Hameln, angerichtet hat und das auch die Hoffnungen der jungen Generation mit sich in den Abgrund reissen wird: «Unsere Gedanken / sind morgen tot. Spreu, vom Wind verjagt, / und ohne Wert, wo jung der Morgen tagt.» Eines der schönsten Gedichte des formal sehr traditionellen Zyklus lautet «Traumgesicht» und ist Annemarie Schwarzenbach gewidmet, die dem Autor im Traum erschien: «so jung, so unzerstört, so seltsam nah / wie damals, als zum erstenmal wir schieden. / Wie loderten in jener Nacht die Sterne, /wie schien die Welt voll Glück. Wie lang ist's her. / Wie wurden Dir die jungen Jahre schwer./ Wie trieb es mich hinaus in alle Ferne... »