«Erlauben Sie, dass ich still bin!»: Ferdinand Hardekopf (1876-1954)

«Weib und Buch und alle Qual / sind schon auf dem Wege», endet ahnungsvoll das Gedicht «Konzentrisch», das enthusiastisch anfängt mit: «Mädchen spriessen jung im Sturm, / Bald muss ich sie lieben; / Und es wächst ein Bücherturm, / der wird jetzt geschrieben.» 1916, als Franz Pfemfert es in der «Aktion» publiziert, ist Ferdinand Hardekopf eben zu den Dadaisten nach Zürich gereist, denn der fulminante Kritiker und frivol-genialische Lyriker ist nicht nur Dichter und Charmeur, sondern auch Pazifist. Einen Bücherturm produzierte er dann aber nicht - zumindest, was das Selbstverfasste angeht, denn die Übersetzungen, mit denen er Gide, Duhamel und Giono auf Deutsch populär machte, liessen sich sehr wohl zu einem solchen stapeln. Die eigene Dichtung dagegen füllte 1963 gerade mal ein (2004 neu ediertes) Arche-Bändchen, hiess sein Motto, als der Expressionismus vorbei war, doch bald schon : «Übt mehr Verheimlichung als Veröffentlichung!» In Sachen Mädchen aber hielt er Wort. 1923 zog der Mitbegründer des Kabaretts «Grössenwahn» mit Sita Staub, der klugen und bildhübschen Reinhardt-Schauspielerin, nach Frankreich, um da, weil er die Liebe leben und nicht «bedichten» wollte, als Übersetzer zu arbeiten. Geheiratet aber hat er Sita erst 1949 in Zürich, nachdem Hans Oprecht den beiden nach zermürbenden Jahren in Lagern und KZs zu einem Schweizer Visum verholfen hatte. «Staatenlos» steht in der Urkunde, denn Hardekopf, der in Nizza erlebt hatte, wie eine Jüdin vor der SS aus dem Fenster sprang, wollte kein Deutscher mehr sein. Als Staatenloser ist er am 24.März 1954 78jährig dann auch gestorben: nach Zürcher Jahren, die vielleicht noch schlimmer als das KZ waren und die er und seine Sita nur überlebten, weil sie sich, als Aufträge und Gelder endgültig ausblieben, statt zu verhungern ins Burghölzli einweisen liessen. «Erlauben Sie, dass ich still bin», soll Hardekopf sterbend zu Carl Seelig, dem letzten Freund, gesagt haben.