Hassgesang auf dem Matterhorn: Carl Haensel (1889-1968)

Längst ist aus dem, was Carl Haensel anzettelte, eine alpinistische Romanindustrie geworden. «Der Kampf ums Matterhorn» hiess 1928 das Debüt des 39jährigen Juristen aus Frankfurt, und die Art und Weise, wie er da den Kampf gegen einen Berg zur existenziellen Bewährungsprobe des Mannes im Kampf gegen das Feige, Schlaffe in ihm selbst und gegen die brutale, nur unter Einsatz des Lebens zu besiegende Natur stilisiert hat, machte in vielerlei Varianten, bis hin zu Max Frischs «Antwort aus der Stille» von 1937, ja bis zur aktuellen Verherrlichung des Extrem-Kletterkults, Schule, nahm zugleich aber auch fatal das NS-Herrenmenschentum vorweg. Haensel schildert auf spannende Weise die Erstbesteigung des Matterhorns durch Edward Whymperam 13. Juli 1865 - eine alpinistische Leistung, der beim Abstieg nach Zermatt drei der acht Teilnehmer, zwei Engländer und ein Franzose, zum Opfer fielen, während die beiden Zermatter Bergführer, Vater und Sohn Taugwalder, zusammen mit Whymper und einem weiteren Engländer wie durch ein Wunder heil herunterkamen. Whymper, der auf dem Gipfel in einen «Urgesang des Hasses» gegen den glücklosen italienischen Rivalen Carrel ausgebrochen war, rechtfertigte den blinden Ehrgeiz mit jenem Macho-Todeswahn, der bald einmal den japanischen und deutschen Kriegern in den Ohren hallen sollte: «Die einfachen Bauern haben nicht begriffen, dass die Probe der grossen Bewährung der Opfertod ist, der nicht ein müdes Leben erlöst, sondern der den Auserwählten in der Blüte der Kraft trifft und mit tragischem Schicksal adelt.» Haensels Roman wurde bis dato 300 000 mal verkauft und acht mal übersetzt. 1936, an Hitlers Olympiade, bekam er eine Silbermedaille. 1937 verfilmte ihn Luis Trenker. Und Carl Haensel selbst? Den betraute 1946 das Nürnberger Tribunal mit der Verteidigung der Angeklagten, was er 1950 unter dem Titel «Das Gericht vertagt sich» vermarktete. Gestorben ist er 79jährig 1968 in Winterthur.