«Adler im Haupt, die Füsse im Kot»: Christian Dietrich Grabbe (1801-1836)

Einen «betrunkenen Shakespeare» hat Heine ihn genannt, und wirklich hat Christian Dietrich Grabbe in den kurzen 35 Jahren seines Lebens wie ein Betrunkener um die Fragen gerungen, die das unerreichte Vorbild so gültig gestaltet hatte: Gewalt und Macht (in «Theodor von Gothland», «Napoleon», «Barbarossa», «Hannibal»), Sinn und Unsinn des Lebens («Scherz, Satire und tiefere Bedeutung»), Gott, das Rätsel Frau und die Suche nach dem Urwissen (im 1829 als einzigem zu Lebzeiten aufgeführten Drama «Don Juan und Faust»). Beide, Don Juan und Faust, lieben Donna Anna. Don Juan, der in der Freude und der Lust den Sinn des Lebens sieht, will sie dem grüblerischen Faust, der stets nach der letzten Wahrheit strebt, aus dem Zauberschloss auf dem Montblanc entführen. Aber längst hat Faust, der nicht erträgt, dass sie einen andern liebt, die Treulose getötet und sich, während Don Juan auch noch im Tod nach neuer Liebe sucht, der abgrundtiefen Verzweiflung hingegeben: «Was ist die Welt? - Viel ist - viel war / Sie wert - Man kann drin lieben! - Und was ist / Die Liebe ohne Gegenstand? - Nichts, nichts.» Er war in sich selbst zwischen einem unbefriedigten Don Juan und einem enttäuschten Faust zerrissen, der unglücklich-geniale Detmolder Poet, der als Wärterkind im Zuchthaus aufwuchs, als Jurist fallierte und mit seinen wilden, ungebärdigen Stücken, die dem Idealismus der Zeit einen sinnlosen, unberechenbaren Geschichtsverlauf entgegenhielten, bloss Gelächter auslöste. Ebenso wie die Durchdringung der Welt mittels dichterischer Einbildungskraft, scheiterte Grabbes Karriere als Don Juan. Als er 1836, einen Monat vor seinem Tod, mittellos und krank, nochmals zur Liebe seines Lebens, der 10 Jahre älteren Louise Clostermeier, heimkehrte, gab die die Scheidung ein und liess den Mann die gemeinsame Wohnung nur in Polizeibegleitung betreten. Wie hatte er 1822 im Erstling «Gothland» geschrieben? «Der Mensch / trägt Adler in dem Haupte / Und steckt mit seinen Füssen in dem Kothe!»