«neue fühlweise und mache»: Stefan George (1868-1933)

«eine kunst für die kunst» propagierten ab 1892 die «Blätter für die Kunst», die der 1868 in Bingen am Rhein geborene Stefan George leitete. Wie das gemeint war, zeigte er 1890 in den «Hymnen» und 1897 im «Jahr der Seele» - pathetisch-hochgemuten Evokationen einer ästhetisch-stilisierten Welt, die Mallarmés Symbolismus nachempfunden waren und dem Naturalismus eine elitäre neue Dichtung entgegenstellten. «Das Jahr der Seele» schrieb er für Ida Coblenz, widmete es nach dem Bruch der einzigen Frauenbeziehung seines Lebens aber seiner Schwester. Der «neuen fühlweise und mache», die er in seinen sieben Lyrikbänden - darunter «Algabal», «Teppich des Lebens», «Der siebente Ring» - realisierte, war der aus Autoren wie Karl Wolfskehl oder Ludwig Derleth und Gelehrten wie Wilhelm Dilthey, Friedrich Gundolf und Norbert von Hellingrath bestehende George-Kreis verpflichtet. Ein Männerbund, der im Banne von «Stiftern und Deutern» wie Dante, Shakespeare, Hölderlin, Napoleon und Nietzsche stand und für Georges legendäre kultisch inszenierte Auftritte besorgt war, in deren Zentrum er ab 1902 sein auch erotisch umschwärmtes Idol, den Verse schmiedenden Münchner Schüler Maximilian Kronberger, stellte. Nach dem 1.Weltkrieg zog George, der vor allem auch als Lyrik-Übersetzer bedeutend war, sich allmählich aus dem von Querelen erschütterten Kreis zurück, lehnte 1927 den Frankfurter Goethe-Preis und 1933 die Präsidentschaft der (gleichgeschalteten) Preussischen Akademie für Sprache und Dichtung ab und starb, zu Lebzeiten schon eine Legende, am 4.Dezember 1933 in Minusio bei Locarno. Das «Neue Reich» seines 1928 publizierten letzten Gedichtbands war in seiner symbolistischen Attitüde und Weltfremdheit für die Nazis nicht vereinnehmbar, und es gibt zu denken, dass der Hitler-Attentäter vom 20.Juli 44, Schenk von Stauffenberg, aus dem George-Kreis hervorgegangen war.