Liam O’Flaherty

Hätte er seiner Mutter gehorcht, so wäre der am 19.März 1896 auf Inishmore, der grössten der Aran-Inseln, geborene Liam O’Flaherty Missionar geworden. Aber 1914 wechselte der 18jährige vom Priesterseminar der Spiritaner-Missionsgesellschaft in Clonliffe ans University College in Dublin über, um im Jahr darauf dann mit den Irish Guards freiwillig in den 1.Weltkrieg zu ziehen. Mit einer Kopfverletzung kam er 1917 nach Irland zurück, verbrachte drei Jahre in Lazaretten und Spitälern und ging, halbwegs geheilt, 1920 als Heizer zur See. Dann war er Hotelportier in London und New York, trampte quer durch die USA und kehrte 1922 nach Irland zurück, wo er im Bürgerkrieg auf Seiten der IRA gegen die als britische Vasallen verhöhnten Anhänger des Freistaats kämpfte. Als die Legalisten obsiegten, ging er nach London ins Exil, um von da an das Irland, das ihm vorschwebte, mit der Feder, und nicht mehr mit der Waffe, zu verteidigen und zu beschwören. «The Informer», die von John Ford 1935 verfilmte Geschichte des Terroristen Gypo Nolan, der den Kampfgefährten Frankie McPhillip für 20 Pfund an die Polizei verrät, zeigte 1925 auf beklemmende Weise auf, zu was für ausweglosen psychischen Situationen der brutale Untergrundkrieg führen konnte. «The Assassin» führte 1928 am Beispiel des Rebellen Michael McDara vor, wie der idealistisch motivierte Befreiungskampf zum Töten und Morden aus Sadismus und purem Selbstzweck verkommen konnte. Zu grosser Form lief O’Flaherty in der 1937 bis 1950 entstandenen Trilogie «Famine» auf, in deren erstem Teil der erzählerisch grossartig geschilderte Hungeraufstand von 1856 –1849 zum Fanal für all das stilisiert erscheint, was Irland für anderthalb Jahrhunderte zur «Zornigen grünen Insel» – so die 1987 bei Diogenes erschienene deutsche Übersetzung – werden liess. Vielleicht aber hat Liam O’Flaherty, der am 7.September 1984 in Dublin starb, sein Bestes nicht in seinen 16 Romanen, sondern in den 180 Kurzgeschichten gegeben, mit denen der Sohn der Aran-Inseln auf karge, schmucklose, zum Teil auch kauzig-groteske Weise die grosse gälische Erzähltradition weiterführte.