Jakob Flach

»Ich bin kein Schreiber von Beruf«, lässt Jakob Flach »sein Alter ego Gottfried Ruchti, den Ich-Erzähler der wehmütigen Liebesgeschichte Nordischer Sommer von 1946, sagen, »das wäre mir zu langweilig. Es ist mir immer, ich hätte meine Hände noch zu etwas anderem als zum Halten von Bleistift und Feder, es muss auch einmal ein Axtstiel oder eine Maurerkelle sein. Ach, ich kann vieles, aber es treibt mich von Ort zu Ort ... «
Nein, um dickleibige Romane zu schreiben, fehlte Jakob Flach, diesem poetischen Schweizer Wandervogel mit den Lebensdaten 1894 bis 1985, entschieden das Sitzleder. Was er jedoch meisterhaft beherrschte, das war die kleine Skizze, die erzählerische Improvisation, die Kurzgeschichte, wie er sie gewissermassen »vor Ort«, irgendwo in Europa, auf einer Hafenmauer sitzend oder am Tisch einer russigen Kneipe, seinen Erlebnissen nacherzählte, um sie dann, mit der Adresse irgendeiner Schweizer Redaktion versehen, in den nächsten Briefkasten zu werfen. Eine Ahnung von Welt und Weite ist eingefangen in diesen Geschichten, die Atmosphäre fremder Städte, das Rauschen des Meeres, der Duft ferner Pflanzen und Landschaften. Und fast immer ist auch von der Liebe die Rede, aber auch vom Abschiednehmen und Weiterziehen. Vita vagorum heisst beziehungsvoll eine Sammlung, die 1945, als das freie Wanderleben längst nur mehr Erinnerung war, eine Handvoll dieser kleinen Texte in Buchform vereinigte; Brautfahrt ohne Ende eine andere, 1959 erschienene. Das mit Abstand sinnenfreudigste Buch von Jakob Flach aber ist unter dem seltsamen Titel Minestra, Dank für Rebhuhn, Schwein und Spargel bereits 1937 veröffentlicht worden und verherrlicht auf heiter-südliche Weise nicht die Liebe, sondern die Freude am Essen und Trinken.
Als es erschien, war Flach als Gründer und Leiter des Asconeser Marionettentheaters zu einiger Berühmtheit gelangt und wohnte sozusagen ganzjährlich in einer alten Mühle bei Arcegno sopra Ascona.
Darum sind es, obwohl Abstecher nach Spanien oder ins Burgundische nicht fehlen, vorwiegend Tessiner bzw. italienische Menüs, die er seinen Lesern serviert und mit spannenden Geschichten und fröhlichen Anekdoten würzt. Natürlich will das Buch niemanden zum Meisterkoch ausbilden. Sein erklärter Zweck ist es vielmehr, das natürliche Vergnügen am Essen wiederherzustellen und die Nahrungsaufnahme zu einem »kleinen heidnischen Gottesdienst« zu machen. Es soll z. B. auch wieder vermehrt »mit den Augen« gegessen werden, »um die Seele nicht mager werden zu lassen«.
Dass das Buch tatsächlich benützt worden ist und Flachs einfache, niemals überzüchtet-raffinierte Rezepte ebenso angekommen sind wie seine Geschichten, das beweist mir augenfällig mein antiquarisch erstandenes Exemplar der Erstausgabe. Ich fand darin nämlich an mehreren Stellen Flecken von Tomatensauce sowie zwei vertrocknete Salbeiblätter ...

«Minestra, Dank für Rebhuhn, Schwein und Spargel» ist als Insel-Taschenbuch 552 erhältlich. Bei der Edition Hans Erpf erscheint ab Herbst 1989 eine Werkausgabe Jakob Flach, herausgegeben von André Imer.
(Literturszene Schweiz)

Flach, Jakob

*Winterthur 26.3.1894, Arcegno (TI) 30.9.1982, Schriftsteller, Regisseur und Künstler. Nach abgebrochenem Botanikstudium lebte F. als eine Art moderner Vagant auf Reisen und Wanderungen in ganz Europa und hielt seine Beobachtungen und Erlebnisse in lebendigen kurzen Erzählungen und Skizzen fest, die er Schweizer Zeitungen zur Publikation anbot. In »Minestra. Dank für Rebhuhn, Schwein und Spargel« (1937), »Vita vagorum. Kleine Erlebnisse am Saume Europas« (1945) und »Brautfahrt ohne Ende« (1959) gab er die Texte später in Buchform heraus. Berühmt wurde F., der seit 1937 in einer alten Mühle bei Arcegno (TI) lebte, auch als Spieler, Regisseur und Puppenhersteller des von ihm gegr. Asconeser Marionettentheaters. - Ausgabe: Werke in Einzelbde. (hg. von A. Imer, 1990 ff.). (Schweizer Lexikon CH 91)

Flach, Jakob

* 26. 3. 1894 Winterthur, † 30. 9. 1982 Arcegno/Tessin. - Marionettenspieler.
Nach Jugend- u. Schulzeit in Winterthur studierte F. Botanik u. Geologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, den er als Grenzsoldat miterlebte, wohnte F., wenn er nicht gerade auf einer seiner Reisen u. Wanderungen quer durch Europa war, als Maler, Schriftsteller u. in verschiedenen anderen Berufen in Arcegno bei Ascona. Seit 1937 leitete er als Spieler, Regisseur, Stückeschreiber u. Puppenhersteller das von ihm gegründete Asconeser Marionettentheater. Als Autor überzeugt F. am meisten in kurzen, improvisiert wirkenden Erzähltexten, in denen er als moderner Vagant irgendwo in Europa »vor Ort«, auf einer Hafenmauer sitzend oder am Tisch einer verrauchten Kneipe, seine Erlebnisse festhielt, um sie dann, mit der Adresse irgendeiner Redaktion versehen, in den nächsten Briefkasten zu werfen. Eine Reihe solcher Kurzgeschichten, die einen Zug von Weltweite u. Internationalität in die schweizerische Enge hineintrugen, hat F. gesammelt herausgegeben in Bänden wie Minestra. Dank für Rebhuhn, Schwein und Spargel (Frauenfeld 1937. Neuausg. Ffm. 1981), Vita vagorum. Kleine Erlebnisse am Saume Europas (Frauenfeld 1945) oder Brautfahrt ohne Ende (Frauenfeld 1959). Obwohl F. unzweifelhaft einer modernen, zeitlos aktuellen Spielart von Erzählliteratur zugehörte, ist es nach seinem Tod allzu rasch still um ihn geworden.

WEITERE WERKE: Die Verhinderten. Freib. i. Br. 1929 (E.). - Nord. Sommer. Zürich 1946 (N.). - Wir bauen ein Marionettentheater. Zürich 1951. - Das schwarze Afrika für Anfänger. Zürich 1965.
(Bertelsmann Literaturlexikon)