Der Roman spielt in Göschenen, wo Ernst Zahn einst Bahnhofrestaurateur war. Aber von seiner heilen Bergwelt ist in der Geschichte vom Dorf «Hinter den sieben Bergen», das unter der Fuchtel von ein paar Wirten und Unternehmern dahinvegetiert, nichts mehr zu spüren. Da werden Zugewanderte als «Tschinggä» oder «Schwoben» beschimpft, kuschen die Ehefrauen in dumpfer Ergebenheit vor ihren Männern, und wenn ein armes Mädchen von einem Honoratiorensohn geschwängert wird, bleibt ihm nur die heimliche Abtreibung oder die Aufzucht eines von allen verachteten Bastards. An den Hängen aber hausen die Bauern auf verschuldeten «Heimetli» in bitterster Armut und erleben den Jahresablauf in der grandiosen, aber unwirtlichen Gebirgsregion als brutalen Kampf ums Überleben. Packend geschilderte Anlässe wie ein Keglerball, eine Hochzeit oder eine Beerdigung bringen Farbe in den öden Alltag, und wenn am Ende alles in einem Sängerfest kulminiert und das Lied «Harmonie ist unser Streben» erklingt, verlässt auf der anderen Dorfseite die durch einen Vaterschaftsprozess ruinierte italienische Familie Conradi auf polizeilichen Befehl mit ihren wenigen Habseligkeiten und dem trotzig «Benito» getauften jüngsten Spross still den «Felsenkeller», wo sie ihr dürftiges Auskommen gefunden hatte. «Hinter den sieben Bergen» ging 1945 aus einem Büchergilde-Romanwettbewerb hervor, und hinter dem Namen der Autorin, Anna Josephine Fischer, verbirgt sich ein erschütterndes Schicksal. Am 2. Mai 1902 in München als Anna Wiedmann geboren, lernte sie technische Zeichnerin und wurde 1918 von Clara Zetkin in die «Sozialistische Jugend» aufgenommen. Sie nahm am Stuttgarter Spartakisten-Aufstand teil und wurde 1924 Mitglied der KPD und Ehefrau des KPDFunktionärs Robert Leibbrand, dem sie noch im gleichen Jahr einen Sohn schenkte. Nach Hitlers Machtergreifung floh sie 1933 mit dem Sohn in die Schweiz und arbeitete in Göschenen illegal als Arzthelferin von Dr. med. Hans von Fischer, mit dem sie sich 1937 in Zürich auch an der Gründung der Ärzte-Hilfsorganisation Centrale Sanitaire Suisse beteiligte. 1939 wurde sie von Fischers Frau und damit Schweizerin, sodass sie sich bis 1947 in vielfältiger Weise für die Rettung von Verfolgten des Faschismus einsetzen konnte. 1944 entkam auch ihr Jugendfreund Friedrich Schlotterbeck dem Nazi-Terror, und mit ihm zusammen wollte sie dann 1948 mit dabei sein, wenn im Osten die kommunistische Utopie Wirklichkeit würde. Zwei Jahre nach ihrer Heirat mit Schlotterbeck aber wurde das Ehepaar 1953 verhaftet, weil beide in der Schweiz mit dem vermeintlichen US-Spion Noel Field Kontakt gehabt hatten. Den kafkaesken Terror, dem sie in den DDR-Zuchthäusern ausgesetzt war, schilderte Anna Schlotterbeck 1968 – zwölf Jahre nach ihrer Begnadigung und vier Jahre vor ihrem Tod am 24. Juli 1972 – im Buch «Die verbotene Hoffnung. Aus dem Leben einer Kommunistin». Da heisst es zu ihrer Freilassung: «Ich war jetzt 53 Jahre alt. Ein neuer Anfang, der allmähliche Abbau des Glaubens, stand bevor.» 1934/35 aber, als sie in Göschenen ihren Roman entwarf, war ihr Glaube an die marxistische Utopie noch intakt, und es war ihr möglich, die alpine Schweiz bei aller Anteilnahme am Schicksal der Figuren aus einer Perspektive zu sehen, wie sie in dieser Schonungslosigkeit der Schweizer Konkurrenz weder vor noch nach ihr je zur Verfügung stand.