«Willst du ein Mann der Schrift werden, musst du auch lügen und Geschichten erfinden können, sonst wird die Historia langweilig», gibt Otto von Freising Baudolino, dem Helden des gleichnamigen mittelalterlichen Abenteuerromans mit auf den Weg. «Baudolino» erschien 2000, und nicht nur da, auch in seinen anderen Romanen hat Umberto Eco das «wissenschaft-liche Lügen», das Auftischen von scheinbar wahren Geschich-ten, zur Perfektion gebracht. In «Der Name der Rose» von 1980, diesem 1327 in einem italienischen Kloster spielenden fulminanten Krimi um die Entdeckung und Vernichtung eines obskuren Aristoteles-Traktats; im phantastischen, um das Ge-heimnis der Längengrade kreisenden Seefahrerroman «Die Insel des vorigen Tages» (1994) oder in «Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana» von 2004, dem ersten in der Ge-genwart spielenden Roman, der vom Verlust des biographi-schen Gedächtnisses handelt und einen Buchhändler einen echten Shakespeare-Autographen finden lässt.
Eco, am 5.Januar 1932 im Piemont geboren, seit 1971 Professor für Semiotik in Bologna ist, bringt sogar in seinen Namen Fantasy hinein, leitet er ihn doch von «Ex caelis oblatus», «Vom Himmel geschenkt» ab, weil sein Grossvater ein Findelkind war. Dennoch hat Eco, der sich berufsmässig mit der Bedeutung von Zeichen befasst, vielen Fantasy-Erfindern Wesentliches voraus: dass er in seinem überbor-denden Eklektizismus alles und jedes ironisch relativiert. Am augenfälligsten im «Foucaultschen Pendel» von 1989, wo sich aus den Sätzen «Die Templer haben mit allem zu tun» und «Minnie ist die Verlobte von Mickey Mouse» mittels «logischen» Operationen Resultate wie jenes ableiten lassen, dass Maria Magdalena Jesu Geliebte gewesen sei. Was sich wie eine vorweggenommene Parodie auf Dan Browns «Da Vinci-Code» von 2003 ausnimmt, der bis auf die Ironisierung von allem und jedem viel vom Meisterphantasten Umberto Eco profitiert haben dürfte.