Goethes Papagei: Johann Peter Eckermann (1792-1854)
«Wir sassen lange beisammen, in ruhiger, liebevoller Stimmung. Ich drückte seine Knie, ich vergass das Reden über seinem Anblick, ich konnte mich an ihm nicht satt sehen... Es war mir bei ihm unbeschreiblich wohl; ich fühlte mich beruhigt, so wie es jemandem sein mag, der nach vieler Mühe und langem Hoffen endlich seine liebsten Wünsche befriedigt sieht.» Am 10.Juni 1823 empfing Goethe erstmals den Mann, der ihn zum Abschluss von «Dichtung und Wahrheit» und «Faust II» bewegen sollte. Und der in 325 «Gesprächen» - bis 1832 geführt, 1836 und 1848 in 3 Bänden publiziert - ein Bild von ihm übermitteln sollte, in dem sich sein Dichten und Denken nochmals in ganzer Fülle und Tiefe spiegelte: Johann Peter Eckermann, 1792 als Hausierersohn in Winsen an der Luhe geboren, Hirt, Kanzlist, Maler und Literat, vor allem aber ein Mensch, der zuzuhören verstand, der ein phänomenales Gedächtnis besass und der dem Olympier so loyal diente, dass Heine ihn als «Papagei Goethes» verspotten und Nietzsche sein Werk das «beste deutsche Buch», nennen konnte, «das es gibt.»
Die «Gespräche» zeigen nicht nur den Glanz, sondern bisweilen auch die Abgründe von Goethes Existenz - wenn hinter der ruhigen Gelassenheit z.B. Sätze aufleuchten wie: «Wollte ich mich ungehindert gehen lassen, so läge es wohl in mir, mich selbst und meine Umgebung zugrunde zu richten.»
Nirgends aber kommt die Tragik des treuen Eckermann zum Ausdruck, der Goethe ohne Lohn diente und, obschon zum Herausgeber von dessen Werk bestimmt, am 3.Dezember 1854 gänzlich verarmt starb. Das Schönste, was er nebst den «Gesprächen» hinterliess, sind die Gedichte an Auguste Kladzig, eine Schauspielerin, die er zärtlich liebte, bis er das einer anderen gegebene Versprechen nach 12 Jahren Verlobung gentlemanlike einlöste. «Schon sitz ich wieder nah an deiner Seite» heisst es da einmal, «wir lesen wieder, wie wir sonst getan./ Vereint ins Buch zu sehn ist grosse Freude, / Doch grössre, sieht man sich einander an.»