Eine Baronin mit Sozialgefühl: Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)
«Vorliebe empfindet der Mensch für allerlei Dinge und Wesen. Liebe, die echte, unvergängliche, die lernt er - wenn überhaupt - nur einmal kennen. So wenigstens meint der Herr Revierjäger Hoppe.» Dass damit die Liebe zu einem Hund gemeint ist - jenem Krambambuli, der auf einer der schönsten Seiten deutscher Prosa qualvoll leidend unschlüssig bleibt und, als er sich dann doch entscheidet, den einen, wirklich geliebten Herrn aus Liebe tötet -, das ist ebenso bemerkenswert wie die Tatsache, dass da in einer Tiergeschichte ganz nebenbei und ohne alles Moralin berührendste, überzeugendste Sozialkritik geübt wird. Überzeugender als in der übrigen sozialen Dichtung Marie von Ebner-Eschenbachs: in « Bozena», der an Bachofen orientierten Vita einer Magd, deren Duldertum am Ende über die Doppelmoral der Umgebung triumphiert, in «Lotti, die Uhrmacherin», für die sie eigens eine entsprechende Berufslehre absolvierte, oder in «Das Gemeindekind», wo zwei Zuchthäuslerkinder aller Diskriminierung zum Trotz ihren eigenen Weg zum Glück finden.
Sie hat zuerst Dramen geschrieben, die am 13.September 1830 auf Schloss Zdislawic in Mähren als Freiin von Dubsky geborene Baronin. Aber das Adelspublikum der «Burg» lehnt die Stücke ebenso ab wie die (höchst parteiische) Kritik, und auch ihrem Mann, dem k.u.k. Feldmarschalleutnant, muss sie vorwerfen, dass ihn niemand kritisiere, wenn er Minen lege, «während Du meine armen Theaterstücke am liebsten in die Luft sprengen möchtest.»
1875, in Zürich, lernt sie Gottfried Keller kennen und geht mit dem Ausruf: «Welch ein Meister! Marie Ebner, lerne, lerne, lerne» ganz zu jener Erzähldichtung über, deren Höhepunkt 1883 die (auch «Krambambuli» enthaltenden) «Dorf- und Schlossgeschichten» waren, und die bewirkte, dass die am 12.März 1916 in Wien verstorbene Autorin vielen als «Deutschlands grösste Dichterin» galt.