New York war sein Lebensthema: Edgar Lawrence Doctorow (6. Januar 1931 - 21. Juli 2015)

Wer New York verstehen will, sollte Doctorow lesen. Edgar Lawrence Doctorow, als Enkel russischer Immigranten am 6.Januar 1931in der Bronx geboren, studierte an der Columbia University, wurde Verlagsleiter, bis 1960, als er Drehbücher für Hollywood schrieb und zugleich sein erster Roman entstand: «Welcome to Hard Times», ein tadelloser Western. Doch schon sein zweiter Roman, die Science-Fiction «Big as Life» (1966), spielt in der Stadt, die in Geschichte, Gegenwart und Zukunft sein primärer Schauplatz werden sollte. «Ragtime» (1975) evoziert das New York von 1902 bis 1917, als im Rhythmus einer frühen musikalischen Massenkultur die vielfältigsten Hoffnungen auf den American Dream an der Heterogenität der Ambitionen und am Zynismus der Mächtigen zerbrachen. Wie Kleists Kohlhaas kämpft der schwarze Jazzpianist Coalhouse(!) Walker jr. mit einer Gruppe Aufständischer gegen Korruption und Rassenhass und muss am Ende erkennen, dass er einem Phantom nachlief. In «The Waterworks» rekonstruierte Doctorow 1994 das New York des späten19.Jahrhunderts und liess eine spannende Kriminalstory in die Aufdeckung der Machenschaften eines gewissen Dr. Sartorius münden, der mit seiner Lebensverlängerungstechnik die Grundlagen für eine morbide Greisen-Mafia schafft. Doctorows letzter grosser New-York-Roman, «City of God» (2000), spielt im 20.Jahrhundert und stellt den anglikanischen Pfarrer Thomas Pemberton ins Zentrum. In brodelnden Schmelztiegel der Völker und Religionen, der Weltanschauungen und Lebensweisen, im Wirrwarr der Paradigmen aus Wissenschaft und Kultur, Film und Musik gerät er wie Augustinus in eine Existenzkrise, aus der er sich in den jüdischen Glauben der Rabbinerin Sarah Gruen rettet. 2005 setzte Doctorow die Reihe seiner Romane mit «The March», einer Erzählung aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs, fort, sein allerletztes Werk war 2014 der Roman «Andrew's Brain» («Andrews Kopf»)