«Wenn man sich nicht mehr zurechtfindet, o du, die mich ansprach, dann ist man an Ort und Stelle. Vergiss es nicht.» Die Sätze stammen aus René Chars Gedichtband «Le Nu perdu et autres poèmes» von 1978 und evozieren wie nichts anderes das Dunkle, fast Undeutbare dieses Autors, der am 14.Juni 1907 in Isle-sur-Sorgues geboren wurde und  am 19.Februar 1988 in Paris starb. Mit Breton und Eluard befreundet, hatte er an der «Révolution surréaliste» mitgewirkt, ehe er 1934, mit «Le Marteau sans Maître», zum eigenen Stil fand. Einer Schreibweise,  die zwar bestimmte  Themen ins Auge fasst,  den Opfern der maroden Zivilisation den neuen, «morgendlichen», sich in Liebe und Poesie erfüllenden Menschen entgegenstellt, all das aber in eine rätselhaft poetische Sprachmagie bannt, zu deren Enträtselung niemand wirklich den Schlüssel hat.  Nicht einmal die «Feuillets d’Hypnos» (1946), die Notizen aus der Zeit bei der Résistance, geben reales Erleben wieder, sondern evozieren zumeist Phantastisches und Imaginäres.
Eins jedoch liess Char, der fast sein ganzes Leben im hellen Licht der Provence zubrachte,  sich nicht nehmen: die Huldigung an die Schönheit. «In unserem Dunkel: nicht einen Platz hat die Schönheit darin. Der ganze Platz ist ihr, der Schönheit», hat Paul Celan einen seiner Sätze übersetzt,  und tatsächlich haben seine Prosarhythmen und Verse zumeist einen so wundervollen Klang, dass wir sie auch dann noch als schön empfinden, wenn wir ihre Bedeutung  nur ahnungsweise zu verstehen vermögen. Mit seinem phantastisch-irritierenden dichterischen Kosmos hob sich René Char jedenfalls sowohl von der in Kriege und Ideologien verstrickten  Gegenwart als auch von der Literatur seiner anpassungsfähigeren Zeitgenossen ab.  Weit über allem Zeitbedingten thronte er in seiner mysteriösen Unverständlichkeit und konnte der Mitwelt allen Ernstes zurufen: «Gehorcht euern Schweinen, die sind. Ich unterwerfe mich meinen Göttern, die nicht sind.»