Er war ein vollendeter Gentleman, der am 13. August 1867 in Basel als Sohn eines deutschen Professors geborene und in Starnberg am 4. August 1938 verstorbene Rudolf G. Binding. Er hatte erst Jurisprudenz, dann Medizin studiert, war in ein Husarenregiment eingetreten und hatte mit Pferden gehandelt, ehe er 1907 auf der Hochzeitsreise mit Helene Wirsing in Italien die Literatur als seine eigentliche Domäne entdeckte. Eine Literatur, die Formschönheit und Idealismus anstrebte, weder mit dem Naturalismus noch mit dem Expressionismus zu tun haben wollte und der weitverbreiteten Intellektuellenfeindlichkeit der Zeit Vorschub leistete.Binding publizierte mit sensationellem Erfolg, und Publikationen wie «Der Opfergang», «Reitvorschrift für eine Geliebte» oder «Moselfahrt aus Liebeskummer» gehörten vor und während dem Nationalsozialismus, dem er unentschieden, jedenfalls nicht ausdrücklich ablehnend, gegenüberstand, zu den Lieblingsbüchern der Deutschen.«Der Opfergang» von 1911 ist die Geschichte der kühl-vornehmen Octavia und der lebenslustig-sinnlichen Joie, die beide, erstere als Gattin, letztere als Herzensfreundin, dem gleichen Mann, Albrecht, verbunden sind. Als Albrecht an der Cholera stirbt und Joie auf den Tod krank ist, täuscht Octavia ihr allabendlich in Albrechts Kleidern vor, dass der Geliebte sie aus der Ferne grüsse. Dem Heroismus dieses «Opfergangs» steht wohltuend die humorvolle Leichtigkeit der «Moselfahrt aus Liebeskummer» von 1932 gegenüber.
«War sie geheilt? War ich verliebt?» ist das einzige, was der Er-zähler über eine Begegnung resümiert, die er mit einer jungen Frau gehabt hat. Sie ist aus Liebeskummer an die Mosel gefah-ren, und er ist mit ihr einen Tag lang im Auto den Moseldörfern nachgefahren, hat Wein mit ihr getrunken und über den Zauber der Landschaft geplaudert, ohne dass die beide auch nur Na-men oder Adressen austauschten. Als sollte arglos ein Stück schönste, heiterste Vorkriegszeit über die dunkle Zäsur hin-ausgerettet werden, die Deutschland im Jahr darauf erfasste.