«Ihre Bewegung - Lob des Schlafes»: Der Lyriker Lucian Blaga (1895-1961)

«Blaue Signale kreuzen die Strassen. / In Theatern schreien die Lichter, die Freiheiten des Menschen werden gepriesen. / Umstürze prophezeit. Worte enden in Blut. / Irgendwo wird das Hemd des Besiegten verlost.» Was unmittelbar aktuell tönt - Chaos, Irritation, Vergeblichkeit des Hoffens -, stammt von 1929 und von einem Autor, der das Rumänische, ganz aus dessen Essenz heraus schreibend, in die Weltliteratur führte. «Veac»/«Unsere Zeit» heisst das Gedicht, dem die Verse entstammen, und es ist Teil des Zyklus «Lob des Schlafes» /«Lauda somnului» von Lucian Blaga (1895-1961). Der Schlaf war für Blaga Sinnbild für den «Grossen Übergang» (so ein anderer, 1924 publizierter Zyklus) zwischen dem Noch-nicht-Sein und dem Nicht-mehr-Sein, als den er die menschliche Existenz sah. Der sinnlosen, kalten Welt, in die der Mensch unfreiwillig hineingeboren ist, suchte er mit einer Lyrik beizukommen, die ihr Denken von Nietzsche, Scheler und Klages, die Bilder aber aus der Poesie Rumäniens bezog: Stets auf der Suche nach dem Paradies und einem Gott, der sich einem entzieht und letztlich nur in der Natur und in der Dichtung selbst zu finden ist, die so zum Bindeglied zwischen Ich, Gott und Welt wird. «Berge, o gebt mir einen Leib, Meere, / schenkt einen Körper mir, dass frei / mein wilder Wahn verströme/ denn allzu eng ist / für die grosse Seele,/ die in mir wohnt, der schwache, / dein irdner Stoff.» Sohn eines Priesters aus Lancrăm, studierte Blaga Theologie und Philosophie in Sibiu und Wien und doktorierte 1920 in deutscher Sprache. Bis 1939 war er im diplomatischen Dienst tätig - u.a. in Bern, wo er sich mit Hugo Marti befreundete - , dann lebte er als Dozent in Cluj, bis zuletzt als Poet und Philosoph jene Dynamik in sich aushaltend, die ihm 1929 die Verse eingegeben hatte: «Nacht. Unter den Sphären, den mächtigen, / schlafen Monaden. / Verdichtete Welten, / lautlose Tränen im Raum, / schlafen Monaden. / Ihre Bewegung - Lob des Schlafes.»