Kein Pardon für Österreich: Thomas Bernhard (9. Februar 1931 - 12. Februar 1989)

«Lieber Grossvater, ich bin in Saalfeld gut angekommen. Wie geht es Dir, schreibst Du immer Bücher? Mir geht es gut. Wir bekommen viel zu essen. Schreib mir bald, was alle machen. Viele Grüsse und Küsse Dein Thomas.» - Der Brief ist vom 20.11.1941, Thomas ist ein 10jähriger Österreicher, der den Vater nicht kennt und von der Mutter nach Deutschland in ein Heim verfrachtet wird. Ausser dem Grossvater, dem Heimatdichter Freumbichler, meint es kaum jemand gut mit dem Jungen, der am 9.Februar 1931 in Holland zur Welt kam, weil die Mutter, ein Dienstmädchen, zuhause den Skandal fürchtete. Auf das NS-Heim folgen ein ebenso bigottes katholisches, das abgebrochene Gymnasium, eine Verkäuferlehre, Jahre im Griff der Tuberkulose - so deprimierend all das, dass der junge Mann, als ihm ab 1950 sein «Lebensmensch» Hedwig Stavianicek ein Schriftstellerleben finanziert, soviel Hass in sich gesammelt hat, dass der Name Thomas Bernhard am Ende zum Synonym für die Verunglimpfung Österreichs werden wird. Zwischen 1968, als er die Staatspreisverleihung platzen lässt, und 1988, als wenige Monate vor seinem einsamen Tod am 11. Februar 1989 die Uraufführung seines letzten Stücks, «Heldenplatz», ganz Wien in Aufruhr bringt, redet die Welt viel zu viel von Skandalen und viel zu wenig von einem Œuvre, das mit seiner hinreissend musikalischen Sprache und der bewegenden Umsetzung der Themen Verstörung, Krankheit, Einsamkeit, Tod allen Rummel überleben wird: die Anti-Heimatromane «Frost» und «Verstörung»; die Autobiographie «Die Ursache»/ «Der Keller»/ «Der Atem»/ «Die Kälte», die Satiren «Alte Meister» und «Holzfällen»; der Geschichtsroman «Die Auslöschung», aber auch Theaterstücke wie «Die Macht der Gewohnheit» oder «Der Weltverbesserer», welch letzteres dem Schauspieler Bernhard Minetti gewidmet ist, der zusammen mit dem Regisseur Claus Peymann wesentlich dazu beitrug, dass Bernhard einer der erfolgreichsten Dramatiker des 20.Jahrhunderts wurde.