Cäsar von Arx 1895–1949

Am 5. März 1936 kam am Zürcher Schauspielhaus unter Leopold Lindtberg «Der heilige Held», das neuste Stück von Cäsar von Arx, zur Uraufführung. Es stellte eine Episode aus dem Aufstand der Entlebucher gegen die Stadt Luzern im Jahre 1478 dar. Der Aufrührer Peter Amstalden soll hingerichtet werden, es sei denn, sein Schwiegervater, Niklaus von Flüe, ergreife für Luzern Partei. Der weist das von sich, und Amstalden wird in dem Moment geköpft, als der Eremit durch seine Botschaft an die Stanser Tagsatzung den Landesfrieden rettet. «Wer Gott finden will, muss den Menschen dienen», heisst die Quintessenz des Stücks mit Ramakrishna, «und wer den Menschen dienen will, muss Gott suchen.» Trotz guter Kritik und dem Lob von Thomas Mann, dem «das im Heimatboden wurzelnde Stück mit seiner körnigen Sprache beste ‹Schweiz› zu erleben» gab, kam es nur gerade auf drei schlecht besuchte weitere Vorstellungen. Wollte das Publikum seine «Schweizerdichter», die sich in jenen Jahren lieber mit fragwürdigen Aktivitäten hinter den Kulissen als mit Genialität auf der Bühne gegen ausländische Konkurrenten behaupteten, vielleicht gar nicht sehen? Immerhin war der am 23. Mai 1895 in Basel geborene Cäsar von Arx, Autor der Cendrars-Adaption «General Suter» und des Bühnenbestsellers «Der Verrat von Novara», mit Abstand der berühmteste Schweizer Dramatiker jener Zeit. Und doch geriet auch er in die Sackgasse des nationalen Alleingangs im Zeichen der geistigen Landesverteidigung. Von Schiller, Shakespeare und Arnold Ott herkommend, hatte er niemals Anschluss an die Avantgarde seiner Generation gefunden. Seine Domäne war das Historische und das Schweizerische. 1932, als «General Suter» in Berlin durchfiel, versteifte er sich mehr denn je darauf. «Für diese kaltschnäuzigen Grossstadtjuden soll ein anderer schreiben», trotzte er in einem Brief an den Vater und nahm sich gleich drei weitere historische Schweizer Stoffe vor. Seine Stunde schlug, als 1941 in Schwyz über 100 000 Besucher sein «Bundesfeierspiel» zum Jubiläum 650 Jahre Eidgenossenschaft sahen, aber nicht wissen konnten, wie unerbittlich Bundesrat Philipp Etter dafür gesorgt hatte, dass Flüchtlingsfrage und Antifaschismus aus dem Text eliminiert worden waren. 1945 aber kam das bittere Erwachen. «Warum fällt mir», notierte er damals mit Blick auf Frischs «Nun singen sie wieder» ins Tagebuch, «nie so etwas ein, so schlicht und ruhig und tief, so dichterisch. Mit meinem ewigen historischen Zeugs. Es ist bitter, zur Erkenntnis kommen zu müssen, dass man sich selber überlebt.» Tatsächlich fand von Arx, dessen letzte Werke das Zwingli-Drama «Brüder in Christo» und das «Gedenkspiel zur 450-Jahr-Feier der Schlacht bei Dornach» waren, den Weg in die Gegenwart nicht mehr. «Ohne die wunderbare Zuversicht meiner Frau hätte ich den Kampf gegen mich selbst schon längst aufgegeben», bekannte er 1947 Franz Beidler. Als Gertrud von Arx am 14. Juli 1949 starb, erschoss er sich wenige Stunden später in seinem Arbeitszimmer in Niedererlinsbach. «Nulla crux, nulla corona», «Kein Kreuz, keine Krone», liess er auf sein Grab schreiben. Und sein Werk? Wie Arnold Ott scheiterte im Grunde auch Cäsar von Arx an der Unmöglichkeit eines Schweizer Nationaldramas. Und wie im Falle Otts, dessen wirkungslose Gesamtausgabe von Arx 1944 einleitete, dürften auch seine eigenen Schauspiele, so gekonnt sie gebaut sind und so packende Szenen sie bisweilen aufweisen, insgesamt kaum je eine wirkliche Renaissance erleben.

Arx, Cäsar von


*Basel 23.5.1895, †Niedererlinsbach (AG) 14.7.1949 (Selbstmord), Dramatiker. Bereits als Maturand erzielte A. mit dem Stück »Laupen« (1914) einen Theatererfolg und entwickelte sich nach Erfahrungen an den Bühnen von Basel und Leipzig zum führenden Schweizer Festspielautor der Zwischenkriegszeit. Höhepunkt war dabei das offizielle Bundesfeierspiel für die 650-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft 1941. Daneben war A. lange Zeit auch der erfolgreichste Schweizer Autor für das Berufstheater. Nach der expressionist. »Rot Schwizerin« (1921), der Cendrars-Adaption »Die Geschichte von General Johann August Suter« (1929) und Komödien wie »Moritat« (1927) und »Vogel friss oder stirb« (1932) wandte er sich immer stärker der Schweizer Geschichte zu und geriet damit in die Verengung hinein, wie sie durch die Ideologie der geistigen Landesverteidigung bewirkt wurde. Zu seinen spezif. schweiz. Bühnenwerken gehören: »Der Verrat von Novara« (1934), das Bruder-Klaus-Spiel »Der heilige Held« (1936), das um 1240 in Schwyz handelnde Stück »Land ohne Himmel« und das Zwingli-Drama »Brüder in Christo« (1947). Mit den neueren dramat. Entwicklungen nach 1945 konnte A. nicht mehr mithalten und empfand sein Schaffen zunehmend selbst als unzeitgemäss. A. Arnold, U.V. Kamber und R. Röthlisberger haben seit 1986 seine Werke (4 Bde.) neu herausgegeben. (Schweizer Lexikon CH 91)

Arx, Cäsar von


* 23. 5. 1895 Basel, † 14. 7. 1949 Nieder-Erlinsbach (Freitod); Grabstätte: ebd. - Dramatiker u. Festspielautor.
Der Sohn eines Schriftsetzers besuchte in Basel die Volksschule u. das Realgymnasium; früh begeistert für Shakespeare u. Arnold Ott, gelang ihm noch als Schüler ein erster prägender Erfolg als Festspielautor, als 1914 sein patriotisches Stück Laupen an der Berner Landesausstellung gezeigt wurde. Bis 1919 studierte A. in Basel Geschichte u. dt. Literatur. Seit 1918 war er Inspizient am Basler Stadttheater, ab 1920 Regieassistent in Leipzig, wo er 1921 sein erstes ernstzunehmendes Stück Die Rot Schwizerin (Lpz. 1921) uraufführte: Eine Frau büßt im Freitod die Schuld ihrer Eltern, die sie u. ihren zum Vatermörder gewordenen Halbbruder nicht über die wahren Verwandtschaftsverhältnisse aufklärten.
A. nahm die hier erkennbare expressionistische Tendenz später nicht wieder auf u. wurde nach seiner Heimkehr in die Schweiz für zwei Jahrzehnte zum führenden Autor der damals in Blüte stehenden patriotischen Festspielkultur. Höhepunkt war dabei 1941 die Auftragsarbeit Bundesfeierspiel zur 650. Wiederkehr der Gründung der Eidgenossenschaft in Schwyz.Neben diesen für große Laienensembles im Zeichen der »geistigen Landesverteidigung« geschriebenen chorischen Bilderbogen mit wenig dramat. Handlung arbeitete A. aber auch weiterhin für die Berufsbühne u. war zwischen 1930 und 1944 mit Stücken wie Die Geschichte vom General Johann August Suter, Opernball 13 oder Drei-kampf der meistgespielte Bühnenautor der Schweiz. Nach dem Mißerfolg von General Suter in Berlin (Premiere 5. 12. 1932 im Theater am Schiffbauerdamm) engte A. sein Schaffen immer mehr auf histor. schweizerische Stoffe ein. So behandelt sein erfolgreichstes Stück Der Verrat von Novara (Urauff. Zürich 1934) eine Episode aus den Jahren 1499-1501, als die Schweizer an den Kämpfen um Mailand beteiligt waren. Der heilige Held (Urauff. Zürich 1936) thematisiert Leben und Wirken des Schweizer Nationalheiligen Bruder Klaus; während Land ohne Himmel (Urauff. Zürich 1944) den Freiheitskampf der Schwyzer in der Konfrontation zwischen Papst u. Kaiser um 1240 darstellt, dramatisiert A.' letztes Bühnenstück Brüder in Christo (Urauff. Zürich 1947) den Kampf Zwinglis gegen die Wiedertäufer. Nach 1945, als die Dramen von Max Frisch erste Erfolge errangen, empfand A. seine Bühnenkunst selbst als überlebt.

WEITERE WERKE: Histor. -krit. Ausg. in vier Bdn. Hg. Armin Arnold, Viktor Kamber u. Rolf Röthlisberger. Olten i. Br. 1986 ff.
LITERATUR: Ernst Prodolliet: C. v. A. Diss. Zürich 1953 - Rolf Röthlisberger: Die Festspiele C. v. A.'. Diss. Bern 1984. (Bertelsmann Literaturlexikon)