Im Zeichen der Vernunft: Raymond Aron (14. März 1905 - 17. Oktober 1983)
«Der Redner Hitler machte mich schaudern; seine Stimme, die für manche hypnotisch war, war mir fast unerträglich, seine Vulgarität und seine Grobheit widerten mich an und machten mir die Begeisterung von Millionen von Deutschen unverständlich.» So sachlich-kühl und nüchtern, wie er als Philosophiestudent in Köln und Berlin den Aufstieg des deutschen Diktators beobachtete - und trotz erheblicher eigener Betroffenheit nie vom Standpunkt des Juden, sondern immer vom Standpunkt des Franzosen her beurteilte -, stand der am 14.März 1905 in Paris geborene Raymond Aron auch den andern politischen und ideologischen Exponenten seines Zeitalters gegenüber. De Gaulle etwa, dem er zwar ins Londoner Exil folgte, den er aber schon damals, vor allem jedoch nach 1945, als er den machtbesessenen Exponenten der 4. und 5. Republik als führender Kolumnist der Epoche im «Combat», im «Figaro» und zuletzt im «Express» seinen unerschütterlichen Glauben an die parlamentarische Demokratie entgegenhielt, in ausgesprochen kritischem Licht sah. Was nicht weniger für de Gaulles schärfsten Gegner, den Philosophen Jean-Paul Sartre, galt, den er als Mitstudent für Heidegger begeistert hatte und dem er später dennoch vorwarf, mit dem Bekenntnis zum «intellektuellen Opium» Kommunismus die vernunftgerechte Art des Philosophierens verraten zu haben. Viele von Arons Kolumnen haben der Zeit als essayistische Meisterstücke standgehalten, die Bücher über Clausewitz und Machiavelli, der Essay «Über historische Objektivität» gehören für Soziologen und Historiker nach wie vor zu den Highlights des Fachs. Am lebendigsten aber sind seine Memoiren geblieben, die wenige Monate vor seinem plötzlichen Tod am 17.Oktober 1983 - er starb auf der Treppe des Pariser Justizpalastes an einem Herzschlag - erschienen und in denen er auf seine gewohnt präzise, verlässliche, unsentimentale Art und Weise «50 Jahre politische Reflexion» ( so der Untertitel ) zusammenfasste.