Dänisch dichten in der Schweiz: Hans Christian Andersen (1805-1875)
Hans Christian Andersen, der am 2.April 1805 auf der Insel Fünen geboren wurde und mit 70 Jahren in Kopenhagen starb, gerecht zu werden, wäre Hybris. Ein Aspekt im Leben und Werk dieses Mannes, der erst Sänger, dann Gymnasiast war, bevor er 1829 mit einer Reisesatire literarisch debütierte und 1835 mit dem Roman «Der Improvisator» zu Ruhm und Geld kam, obwohl seine eigentliche Leistung die in Dänemark selbst zunächst kaum beachteten, 1858-61 in vier Bänden erschienenen «Märchen und Geschichten» sein sollten, ist aber auch in geraffter Form auf den Punkt zu bringen: seine Affinität zur (damals noch mausarmen!) Schweiz, die mit ausschlaggebend für das Berührendste, Ergreifendste an seinen Märchen war. Dass sie nämlich von «Der Engel» und «Däumelieschen» bis «Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen» oder «Der Flachs» ihren Glanz stets und immer wieder von neuem teilnahmsvoll auf das Unterdrückte, Arme und Geringgeschätzte werfen.
Andersen kam 1833 erstmals in die Schweiz und verbrachte den Winter 1833/34 in Le Locle, wo «Agnete» entstand und wohin er in Erinnerung an die da verbrachte arme, aber glückliche Zeit 1860 und 1867 zurückkehrte. 1868 lebte er in Bern und Genf, und 1873 bereiste er die Schweiz nach insgesamt zwölf Aufenthalten ein letztes Mal, um am Ende schwer krank nach Kopenhagen heimzureisen. Als er am 4.August 1875 starb, hatte Andersen bis zuletzt noch gehofft, nochmals eine - bereits bis in alle Einzelheiten vorbereitete - Reise in das Land unternehmen zu können, das er als eine zweite Heimat betrachtete und in dessen «nordischer Natur» er dänischer zu fühlen und zu dichten vermochte als in Dänemark selbst. «Fern von Paris, hoch droben im Juragebirge, in einer nordischen Natur, unter schwarzen, totenstillen Tannenwäldern ist ,Agnete' geboren worden», heisst es im Vorwort der 1834 erschienenen Erzählung dieses Namens, «aber sie ist dänisch an Seele und Gemüt.»