Nur noch historisch zu lesen: Fritz Zorn (10. April 1944 - 2. November 1976)

Vielleicht war es die tragische Coda der 68er-Bewegung, vielleicht auch eine hilflose Vorwegnahme der Schweizer Identitätskrise der Neunzigerjahre: das Buch, das anfängt mit: «Ich bin jung und reich und gebildet; und ich bin unglücklich, neurotisch und allein.» Als «Mars» im Herbst 1977 erschien, war der Autor, der Zürcher Gymnasiallehrer Fritz Zorn alias Angst, bereits tot. Vom Krebstod bedroht, hatte der 32jährige auf Anraten des Psychiaters niedergeschrieben, was ihm widerfahren war, und verkündete zornig und verzweifelt, dass der Wohlstand und das repressive Klima des Elternhauses die Krankheit verschuldet hätten und der Krebs bald einmal die ganze bürgerliche Gesellschaft ruinieren werde. «Ich erkläre mich als im Zustand des totalen Krieges», heisst der letzte Satz, und im Vorwort leitet Adolf Muschg davon die Moral ab: «In einer unheilbaren Gesellschaft ist sein Tod keine Ausnahme, sondern der Normalfall. Wir werden weiter so sterben, solange wir weiter so leben.» Obwohl es vor allem in Frankreich bis heute als Beweis für die repressive Verknorztheit des helvetischen Establishments gilt, lässt sich das Buch längst nur noch historisch lesen. In schmerzlicher Erkenntnis dessen, was schon Johann Kresnik konstatierte, als er «Mars» 1993 zum Tanzereignis machte: «Fritz Zorns Buch ist letztlich larmoyant. Gefragt wäre jemand gewesen, der wirklich Zorn ist und Angst hat. Und nicht Angst bleibt und Zorn hat...»