Angst vor dem Wahnsinn: Tenessee Williams (26. März 1911 - 25. Februar 1983)

Bis auf Ibsen hat kein anderer Dramatiker die auf lauter Lebenslügen gestützte verlogene Moral der «zivilisierten» Gesellschaft so konsequent entlarvt wie Thomas Lanier Williams, der sich ab 1939 Tennessee Williams nannte. In «Die Katze auf dem heissen Blechdach» von 1955 z. B., wo Maggie Pollitt wie eine Katze, die es auf einem heissen Dach nicht mehr aushält, den Sprung in die Wahrheit riskiert, indem sie eine Lüge verbreitet. Sie ist mit dem ehemaligen Footballstar Brick verheiratet, der sie aber nicht mehr anrührt, seit sie ihn im Zusammenhang mit seinem toten Freund Skipper als Schwulen verdächtigt hat. Als es am 65.Geburtstag ihres Schwiegervaters, des eigensinnigen Big Daddy, zum Krach zwischen Vater und Sohn kommt und der Vater erfährt, dass er unheilbar krank ist, während der Sohn damit konfrontiert wird, dass er Skippers Suizid mit verursacht habe, erklärt Maggie dem Clan-Boss wider besseres Wissen, dass sie von dem als Versager verschrieenen Brick jenen Enkel erwarte, den Big Daddy so sehr ersehne... Nicht immer enden Williams Stücke so optimistisch wie «Cat on a Hot Tin Rof», das sein versöhnliches Ende dem Regisseur Elia Kazan verdankt. «Die Glasmenagerie» von 1944, wo die Zerbrechlichkeit eines behinderten Mädchens in Glasfiguren symbolisiert ist, «Endstation Sehnsucht» von 1947, wo das erschütternde Ende einer gemütskranken Lehrerin evoziert wird, aber auch «Plötzlich letzten Sommer» von 1958, wo ein Mutter-Sohn-Konflikt schrille Blüten treibt, spiegeln ein tragisch-pessimistisches Menschenbild, das nicht von ungefähr kam. Bis 1960 war Schreiben für Williams die Selbsttherapie eines Pessimisten, dann konnte er der Angst vor dem Wahnsinn nur noch mit Texten beikommen, die von seelisch und körperlich Behinderten handelten. Am 25.Februar 1983 erstickte Tennessee Williams in einem New Yorker Hotel 72jährig am Deckel einer Medizinflasche.