Abrechnung mit der Kunstkritik: James A. McNeill Whistler (1834-1903)

«Sie wären», soll Degas zu James A. McNeill Whistler gesagt haben, «der lächerlichste Mensch in Paris, wenn Sie nicht ein Genie wären.» Tatsächlich verstand es der Amerikaner, der 21jährig nach Paris gekommen war und am 17.Juli 1903 69jährig auch da starb, zu provozieren wie kein ein anderer. Nicht nur, dass der Vorläufer der abstrakten Malerei seine Bilder mit Titeln wie «Arrangement in Grau und Schwarz» versah. Er kleidete sich auch wie ein Dandy und war mit Spott und Ironie der Schrecken jeder Party. Den Vogel abgeschossen aber hat er 1890, als er unter dem Titel «Die artige Kunst, sich Feinde zu machen» auf bissige Weise mit der( Kunst)-Kritik abrechnete. Der gedruckte Rachefeldzug gegen die zeitgenössische Kritik enthält die Dokumentation all seiner Querelen und Prozesse mit Kritikern und Gegnern und entlarvt sie durchs Band an ihrer eigenen Dummheit. Es könne überhaupt nur ein Künstler, und nicht ein als Kritiker auftretender Schriftsteller oder Journalist, sachverständige Urteile über Kunstwerke sprechen, lautet Whistlers Urteil, das mit träfen Vergleichen untermauert ist: «Das Observatorium von Greenwich unter der Leitung eines Apothekers! Die medizinische Fakultät mit einem Dichter an der Spitze, und wir wüssten, dass der Wahnsinn am Ruder ist.» Am meisten kam der Kritikerpapst John Ruskin dran, aber auch Swinburne und Oscar Wilde bekamen ihr Fett ab. Letzterer konterte zwar vehement, blieb aber bei seiner Meinung, dass Whistler einer der grössten Meister der Malerei sei. Whistler hat übrigens nicht nur die Kritik, sondern auch die kunstferne Schweiz attackiert. In dem Land, «wo jeder Alpenabgrund eine Tradition gähnt und mit Heldentaten angefüllt ist», gebe es, so Whistler, keine Künstler, «und den Söhnen der Vaterlandshelden bleibt nichts anderes übrig als das Räderwerk, das ihre Mühle dreht, oder der Kuckuck, der nur mit Mühe in seinem Gehäuse gehalten werden kann. Und dafür war Tell ein Held, dafür musste Gessler sterben!»