Albert Jakob Welti

Es ist heute, da sein Ruhm längst von demjenigen eines Hodler oder Amiet überstrahlt wird, nur noch schwer vorstellbar, was es um 1914 bedeutete, der Sohn des legendären Albert Welti zu sein und selbst als Maler reüssieren zu wollen. Albert Jakob Welti versuchte zunächst, im Stil des 1912 verstorbenen Vaters fortzufahren, dann rebellierte er gegen ihn und malte Bilder, die er später, als er doch wieder zur romantisierenden Gegenständlichkeit zurückgekehrt war, selbst als »unerhörte Scheusslichkeiten« taxierte. 1922, auf Mallorca, als er einen Zyklus von Radierungen mit Legenden versehen wollte, geriet er unversehens ins Dramenschreiben hinein und schaffte es, mit Maroto und sein König auf die Bühne des Basler Stadttheaters zu gelangen. Fortan nannte er sich Maler und Schriftsteller, liess sich mit seiner Frau, der Biologin Eva Welti-Hug, als Privatier in Genf nieder und belieferte die Schweizer Bühnen unermüdlich mit Dramen und Festspielen, während er als Mitstreiter von Johann Baptist Rusch in den Republikanischen Blättern die aktuellen Kulturbestrebungen polemisch aufs Korn nahm. Der eigentliche Durchbruch aber liess auf sich warten. Für das grosse Publikum war und blieb er der dilettierende Sohn des genialen Welti. Da setzte er sich selber eine Frist. »Ich bin vierundvierzig«, notierte er am 15. 10. 1938 ins Tagebuch. »Mit fünfzig ist mein Vater gestorben. Da hätte ich noch sechs Jährchen, um die Sachen auszugleichen, des Vaters würdig zu werden.« Nicht ein Jahr verging, und Welti hatte sein Ziel in den Augen der Zeitgenossen tatsächlich erreicht. Am 9. Mai 1939 erlebte das Dialektstück Steibruch im Landi-Theater seine Uraufführung und eroberte sich, vielleicht gerade, weil es der patriotischen Hochstimmung jener Tage so diametral entgegengesetzt war, die Gunst der Zuschauer im Sturm. Es folgten über 150 weitere Inszenierungen und eine packende Verfilmung durch das Team Steiner/Gretler/Haufler. Der junge Max Frisch, der Steibruch als »ausserordentlich starkes Werk« empfand, setzte sich 1941 Mit Nachdruck auch für den Romancier Welti ein, als dieser mit Wenn Puritaner jung sind debütierte. Das 642seitige Opus transponiert persönlich Erlebtes ins Allgemeingültige und stellt dar, wie die Generation der um 1890 geborenen Schweizer ihre Sturm-und-Drang-Zeit durchlebt, ehe sie, um das Gemeinwesen zu erhalten, quasi wieder verbürgerlicht. Es ist dies ein schmerzlicher Prozess, und der Autor ist an ihm ganz offensichtlich zum Zyniker geworden, dem Satire und Groteske am überzeugendsten gelingen. Zum Teil ist der Roman aber auch eine Abrechnung mit dem Vater, der erwartungsgemäss ziemlich schlecht wegkommt.
Endgültig beilegen konnte Welti den zentralen Konflikt seines Lebens und Schaffens erst 1962, in seinem letzten Werk, Bild des Vaters. In diesem einzigartigen Künstlerporträt, wo er dem Vater sowohl mit der Einfühlsamkeit des kongenialen Künstlers als auch mit der liebevollen Teilnahme des selbstbewusst gewordenen Sohnes gegenübertritt, steht er endlich für jedermann sichtbar auf gleicher Ebene mit ihm.
(Literaturszene Schweiz)

Welti, Albert Jakob

*Zürich-Höngg 11.10.1894, †Genf 5.12.1965, Maler und Schriftsteller; Sohn von Albert W. und auch dessen Schüler. Nach dessen Tod (1912) setzte W. seine Ausbildung an der Münchner Kunstakademie sowie in Madrid und London fort. 1920 verheiratete er sich und lebte zwei Jahre auf Mallorca, wo er von der Malerei zur Schriftstellerei überging und sein erstes, 1925 am Stadttheater Basel uraufgeführtes Schauspiel »Maroto und sein König« schrieb. Seit 1923 lebte W. in Chêne-Bougeries bei Genf, wo er ein mit Ausnahme der Lyrik alle Sparten umfassendes, umfangreiches literar. Werk schuf, ohne das Malen ganz aufzugeben. Bis 1940 schrieb er Bühnenwerke wie das histor. Drama »Servet in Genf« (1930), das Kriminalstück »Blaubart« (1933) oder das histor. Mundartstück »Mordnacht« (1937). Er errang seinen grössten Erfolg mit dem ebenfalls in Zürcher Dialekt gehaltenen, bewegenden Aussenseiterdrama »Steibruch« (1939), das an der schweiz. Landesausstellung in Zürich wider Erwarten zum Ereignis wurde (von S. Steiner kongenial verfilmt). Mit dem monumentalen Schweizer Generationsroman »Wenn Puritaner jung sind« (1941) legte W. erstmals ein Prosabuch vor und schuf sich ein gewisses Renommee als psycholog. einfühlsamer Erzähler. Eine gelungene Leistung stellt sein »Bild des Vaters« (R., 1962) dar. (Schweizer Lexikon)



Welti, Albert Jakob

* 11. 10. 1894 Zürich-Höngg, † 5. 12. 1965 Genf; Grabstätte: Bern, Schosshaldenfriedhof. - Dramatiker, Erzähler; Maler.

Der Sohn des Malers Albert Welti verbrachte seine Schulzeit in München u. Bern. Schüler seines Vaters, setzte W. seine künstlerische Ausbildung nach dessen Tod 1912 an der Münchner Kunstakademie sowie in Madrid u. London fort. 1920 heiratete er die künftige Biologin Eva Hug u. lebte mit ihr zwei Jahre auf Mallorca, wo er von der Malerei zur Schriftstellerei überging u. sein erstes, 1925 am Stadttheater Basel uraufgeführtes Schauspiel Maroto und sein König (Zürich 1926) schrieb: Ein General wird zum Verräter, weil er einem unfähigen Herrscher nicht dienen kann. Von 1923 bis zu seinem Tod lebte W. in Chêne-Bougeries bei Genf, wo er ein mit Ausnahme der Lyrik alle Sparten umfassendes, umfangreiches literar. Œuvre schuf, ohne jedoch das Malen ganz aufzugeben.
Bis 1940 schrieb W. fast ausschließlich Bühnenwerke: das histor. Drama Servet in Genf (Elgg 1930), das 1933 in Zürich erschienene Kriminalstück Blaubart oder das historische Mundartstück Mordnacht (Elgg 1937). Er errang dabei seinen größten Erfolg mit dem ebenfalls in Zürcher Dialekt gehaltenen, bewegenden Außenseiterdrama Steibruch (Zürich 1939), das wider Erwarten zum großen kulturellen Ereignis der Schweizerischen Landesausstellung 1939 in Zürich wurde. Mit dem monumentalen Schweizer Generationenroman Wenn Puritaner jung sind (ebd. 1941) legte W. zwei Jahre später erstmals ein Prosabuch vor u. schuf sich in der Folge mit Titeln wie Martha und die Niemandssöhne (ebd. 1948), Die kühle Jungfrau Hannyvonne (ebd. 1954) oder Der Dolch der Lucretia (ebd. 1958) ein Renommee als psychologisch einfühlsamer, wenn auch stofflich etwas ausufernder Erzähler. Eine rundum gelungene Leistung stellt sein letztes Werk, Bild des Vaters (ebd. 1962), dar, indem es seine künstlerischen mit seinen literarischen Fähigkeiten verknüpft u. der lebenslang als übergroß u. bedrohlich empfundenen Gestalt des berühmten Vaters eine feinfühlige Hommage darbringt.
(Bertelsmann Literaturlexikon)