Gesellschaftssatire und katholische Ethik: Evelyn Waugh (17. Oktober 1903 - 10. April 1966)

«Schneller! Schneller!» lauten Agatha Runcibles letzte Worte, als sie nach einem Autorennen stirbt. Wie keine andere verkörpert diese Figur aus seinem zweiten Roman, «Vile Bodies» / «Lust und Laster» von 1930, die Schnelllebigkeit und Verderbtheit, die der am 28.Oktober 1903 in London geborene Evelyn Waugh satirisch geisselte. Im Debüt «Decline and Fall» /«Auf der schiefen Ebene» von 1928, wo der künftige Theologe Pennyfeather nach irrwitzigen Abenteuern nur unter fremdem Namen weiterstudieren kann. In «Black Mischief» / «Schwarzes Unheil» von 1932, wo Basil Seal im Land der Kannibalen ahnungslos seine Verlobte verzehrt. In «A Handful of Dust»/«Eine Handvoll Staub» von 1934, wo ein Engländer von einem analphabetischen indianischen Dickens-Fan als Vorleser gekidnappt wird. Die Konversion zum Katholizismus blieb nicht ohne Einfluss auf Waughs Schreiben. So beschwört bereits «Brideshead Revisted», die romantische, zum Bestseller avancierte Familiensaga von 1945, das katholische Ethos, das er dann in der Trilogie «Sword of Honour» / «Ohne Furcht und Tadel» 1952/1961 zur einzigen nach dem Krieg noch intakten Moral stilisieren sollte. Was er allerdings 1965, ein Jahr vor seinem Tod, mit einem unzweideutigen «Ich habe mich getäuscht» wieder zurücknahm. Wer zur Lesergemeinde dieses brillantesten aller englischen Satiriker stossen will, beginnt am besten ganz von vorne: mit «Auf der schiefen Ebene» oder «Lust und Laster», beides als Diogenes-detebe zugänglich. Oder aber gleich mit «The Loved One» / «Tod in Hollywood» von 1948. In dieser Romanze zwischen Aimée, der Beautycraft- Studentin bzw. Kosmetikerin im Beerdigungsinstitut «Whispering Glades», und Dennis, dem gescheiterten Autor und Angestellten des Hunde-Bestattungsinstituts «Happier Hunting Ground», werden der Infantilismus und die Oberflächlichkeit des amerikanischen Kultur- und Lebensverständnisses auf eine unerhört träfe Weise blossgestellt. Und was geschieht, wenn der Briefkastenonkel Aimée rät, ihre Probleme durch Selbstmord zu lösen? Sie tut es!