Am Rande des Sagbaren: Georg Trakl (1887-1914)

1906 kamen in Salzburg zwei Dramen eines 19jährigen Apothekerpraktikanten zur Aufführung, von denen wir nur noch die Titel kennen: «Fata Morgana» und «Totentag». Pole, zwischen denen, so man sie mit Rausch und Sterbenmüssen gleichsetzt, Leben und Werk dieses Georg Trakl von Anfang an oszillierte. Er schlitterte, früh orientierungslos, als typische k.u.k. Sandlerexistenz von Stelle zu Stelle - Pharmaziestudium in Wien, Soldat als Einjährig-Freiwilliger, Medikamentenakzessionist in Innsbruck, Ministerialrechnungspraktikant ohne Besoldung in Wien, Sanitäter im Kriegsdienst an der Ostfront - , während zugleich ein lyrisches Werk entstand, das sich dem Rande des Sagbaren entlang bewegte und der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung auf eine Weise Ausdruck gab, die man im Nachhinein aus blosser Verlegenheit dem Expressionismus zurechnete. Gehört die «Sammlung» von 1909 noch der Dekadenz des Fin du Siècle an, zeigen die ab 1910 im Innsbrucker «Brenner» bzw. im «Jüngsten Tag» von Kurt Wolff gedruckten Gedichte die ganze Gewalt und Genialität dieses am Ende in die Schwärze des Schweigens versinkenden poetischen Kosmos. «Psalm» von 1912 nimmt, Karl Kraus, dem späteren Verfasser von «Die letzten Tage der Menschheit», gewidmet, in unerhört persönlicher und doch ichferner Weise vorweg, was ab 33 real passieren sollte: «Aus grauen Zimmern treten Engel mit kotgefleckten Flügeln / Würmer tropfen von ihren vergilbten Lidern /... Schweigsam über der Schädelstätte öffnen sich Gottes goldene Augen.» Gemäss dem nachgelassenen Gedicht «Grodek» aber, Zeugnis der Schlacht um die Stadt dieses Namens, erlebte Trakl auch selbst schon das Fürcherlichste, was Menschen einander antun können: «Sterbende Krieger, die wilde Klage / Ihrer zerbrochenen Münder… Alle Strassen münden in schwarze Verwesung.» Tagelang hilflos mit 90 Sterbenden allein gelassen, langte sein Verstand bei jenem Ausweg an, dem er am 3.November 1911 im Garnisonsspital Krakau nach einer gehörigen Dosis Kokain keinerlei weiteren Widerstand mehr entgegensetzte...