Leidenschaftlicher Verfechter der Demokratie: Alexis de Toqueville (1805-1859)

Er habe sich, schrieb Alexis de Tocqueville in seinen Memoiren, zwischen Vergangenheit und Zukunft so gut im Gleichgewicht befunden, dass er «keiner von beiden zuneigte und beide mit ruhigen Augen betrachten konnte». Als Spross einer Adelsfamilie am 29. Juli 1805 in Paris geboren, studierte er die Rechte und wurde Richter in Versailles. Als er 1831/32 im Auftrag der Regierung die USA bereiste, um das Gefängniswesen zu studieren, erarbeitete er die Basis für sein 1840 publiziertes Werk «La Démocratie en Amérique», mit dem er über Nacht berühmt wurde. Vom amerikanischen Beispiel leitete er die These von der Zwangsläufigkeit der Entwicklung zu immer mehr Gleichheit und Freiheit ab, wie sie in Europa 1789 begonnen habe. Spektakulär ist vor allem, wie treffsicher de Tocqueville - der kein weltfremder Theoretiker war, sondern im Parlament sass und 1849 gar einen Sommer lang als Aussenminister fungierte - künftige Entwicklungen voraussah. Amerikaner und Russen würden die kommenden Weltmächte, prophezeite er etwa. Und als er 1836 die Schweiz bereiste, erkannte er, dass das Land die nationale Einheit «wohl nur in einem Krieg gegen die Minderheit der kleinen Kantone erlangen werde». Der Preis sei aber hoch, und als loser Staatenbund könne sich das Land im Spiel der europäischen Mächte ohnehin besser halten. So dass es eigentlich gar keine Regierung brauche. Was ihm am meisten imponierte, war im übrigen die Gemeindeautonomie. Die empfahl er der ganzen Welt als Basis für eine besser verwurzelte Demokratie und behauptete, sie sei für die Freiheit das, was für die Ausbildung die Wissenschaft. Die bedeutendste Leistung des 1859 verstorbenen Gelehrten, den Wilhelm Dilthey mit Aristoteles in einem Zug nannte, ist und bleibt die Erhebung der Demokratie zur einzig akzeptablen Regierungsform. Zu einer permanent erneuerungsbedürftigen allerdings, war er doch überzeugt: «Eine Nation, die von ihrer Regierung nichts anderes verlangt als die Aufrechterhaltung der Ordnung, ist im Grunde ihrer Seele schon verknechtet.»