Bunte Steine: Adalbert Stifter (1805-1868)

«Granit», «Kalkstein», «Turmalin», «Bergkristall», «Katzensilber» und «Bergmilch» lauten die Titel. Als «Ein Festgeschenk» sind die Erzählungen 1853 erschienen, mit einer Vorrede, in der Adalbert Stifter sie für das «sanfte Gesetz» in Anspruch nimmt, das überall da wirke, wo einer den «einseitigen und selbstsüchtigen Zwecken» Gerechtigkeit und Nächstenliebe entgegenstelle und bereit sei, «im Wehen der Luft und im Rieseln des Wassers Grösseres zu sehen als im Blitz, welcher Häuser spaltet, und im Sturm, der die Brandung treibt.» «Bergkristall» z.B. ist die bewegende Geschichte von Konrad und Sanna, die am Christtag wie durch ein Wunder vor dem Erfrieren gerettet werden. «Turmalin» erzählt von dem gehörnten Ehemann, der mit der behinderten Tochter mitten in Wien wie in einer Katakombe lebt. «Kalkstein» vom Pfarrer von Kar, der sich ein Leben lang kasteit, um den Dorfkindern die eigene Schule zu ermöglichen. «Granit» schliesslich ist die Erzählung von dem armen Pechbrennerbub, der in der Pestzeit allein im Wald zurückbleibt und mit einem verirrten Mädchen eine wundersame Liebesgeschichte erlebt. Allen modernen Trends zum Trotz sind diese Texte Kleinode geblieben, Trost für das Gemüt, beglückende Erfahrung für einsame Stunden, Kostbarkeiten, die man, einmal entdeckt, nicht mehr missen will. Und dies, obwohl die Erbauung, die Stifter verspricht, mit Wehmut, Trauer und dunklen Ahnungen einhergeht. In «Bunte Steine» ebenso wie in den übrigen Erzählungen, die der gescheiterte Jusstudent 1840, mit 35, zu schreiben begann. Fein ziselierte, unverwechselbare Prosa, die ab 1844 einen Boom erlebte, aber schon 1868, als der 63jährige sich, resigniert und verzweifelt, umbrachte, für démodé oder weltfremd galt. Dabei hat er schon in der erschütternden Vorrede zu «Bunte Steine» 1853 genau jene Zukunft prophezeit, die inzwischen schreckliche Gegenwart geworden ist.