«Ich schreibe, wie ich stricke»: George Sand (1804-1876)

Den faszinierendsten Roman hat sie nicht gedichtet, sondern erlebt, die am 1.Juli 1804 geborene und am 8.Juli 1876 verstorbene Amandine-Aurore-Lucile Dupin alias George Sand. Denn mindestens so spektakulär wie die Stellung ihrer Vorfahren - zu denen ein König von Polen und ein Marschall von Sachsen gehörten! - war der Rang der Liebhaber, die sie sich nach kurzer Ehe mit Baron Casimir Dudevant sukzessive zulegte: Franz Liszt, Frédéric Chopin, Eugène Delacroix, Alfred de Musset, Iwan Turgenjew und Gustave Flaubert. Wem es mit den über hundert Romanen der George Sand - darunter «Indiana» (1832), «Lelia» (1833), «Consuelo» (1843), «Lukrezia Floriani» (1845), «La mare au diable» (1846) und «La petite Fadette» (1849) - ähnlich wie Friedrich Nietzsche geht, der die exorbitante Vielschreiberin («Ich schreibe, wie ich stricke!») «unfreiwillig komisch» fand, wird in der Hoffnung auf mehr Authentizität und Qualität nach ihren autobiografischen Texten greifen. Und ebenso enttäuscht sein, reicht doch in Tat und Wahrheit keines ihrer Erinnerungswerke über das Niveau einer Klatschpostille hinaus. Zwar konnten 1854/ 55, als die 20 Bände «Histoire de ma vie» erschienen, all jene befreit aufatmen, die um ihren guten Ruf zu bangen hatten, gefiel es der mit Abstand emanzipiertesten Intellektuellen ihrer Zeit inzwischen doch weit besser, sich in den Lebensläufen ihrer adligen Vorfahren zu sonnen, als die Musiker und Schriftsteller zu diskreditieren, deren Muse und Geliebte sie in glücklicheren Momenten gewesen war. 1859 jedoch, im autobiographischen Roman «Elle et lui», liess sie die Katze aus dem Sack. Alfred de Musset, der sie 1836 seinerseits in «Confession d'un enfant du siècle» zur grossen Liebenden stilisiert hatte, stellte sie dermassen entlarvend dar, dass der Bruder des inzwischen Verstorbenen, Paul de Musset, mit einem ebenso gepfefferten wie unerquicklichen Elaborat namens «Lui et elle» zu reagieren sich bemüssigt sah.