Er heisst Gaspard Gros und gehört zu jenen Unglücksraben, die elternlos der Fürsorge anheimfallen. Praz-de-Fort, seine Walliser Heimatgemeinde, gibt den Zehnjährigen als billige Arbeitskraft zu einem Rüpel von Pflegevater, wo Gaspard der harten Arbeit wegen verwachsen und bucklig wird. Mit dreizehn ist er alt genug, die Geissen von Praz-de-Fort zu hüten. Der Schönheit der Bergwelt aber steht hier die bittere Erfahrung der zunehmenden Vereinsamung gegenüber. Als das Hirtenamt für andere Waisen gebraucht wird, findet Gaspard eine vakante Stelle im waadtländischen Rossinière. Dort lernt der bucklige Hirt nicht nur eine Reihe weiterer Demütigungen, sondern auch eine Ahnung von Liebe kennen. Aber Caroline, die Lehrerstochter, ist natürlich für eine ehrbare Partie bestimmt. Tief gekränkt und verzweifelt, zieht sich Gaspard in die Walliser Berge zurück und endet dort, völlig vereinsamt, eines Tages durch Selbstmord.
Die erschütternde Geschichte eines Verdingbuben, der an der Hartherzigkeit seiner Umwelt zugrunde geht, findet sich im zweiten, 1866 erschienenen Teil des fünfbändigen Sammelwerks «Les Alpes suisses»(1864-1875) von Eugène Rambert.  Fünfzehn Jahre bevor Johanna Spyris Geissenpeter in Aktion trat, erhielt die Schweiz damit eine Hirtengeschichte, die in ihrer Drastik himmelweit entfernt ist von all den Klischees und Sentimentalitäten, die seither diesem Berufsstand angelastet worden sind.
In seinem einstmals berühmten Sammelwerk mischte der ETH-Professor im übrigen Wissenschaftliches wie Essays über die Alpen und die Freiheit, über den Föhn oder die Bergflora bunt durcheinander mit Dichtungen wie dem erwähnten «Geisshirt von Praz-de-Fort»oder dem vielzitierten philosophierenden «Murmeltier mit dem Halsband».In einer Zeit, die das Hochgebirge eben erst zu entdecken begann, begeisterte er damit eine zahlreiche Leserschaft für die Alpen und ihre Bewohner. Innerhalb seines Kompendiums, aber auch bei anderen Gelegenheiten hat Rambert jedoch die touristische Bergvermarktung auch schon mit beissendem Spott belegt – so etwa in seinem 1875 publizierten Feuilleton «De Schwyz à Schwyz par Sion», einem Kabinettstück der humoristischen Reiseliteratur, wie sie später Charles-Albert Cingria meisterhaft wiederaufnehmen sollte.
Was «Les Alpes suisses»bezweckten – die Inventarisierung des alpinen Lebensraumes und seine Propagierung zum idealen Zentrum der mehrsprachigen Schweiz –, das vertrat Rambert auch in seinem sonstigen Wirken als Literaturforscher (bedeutendste Publikation: die Biographie Alexandre Vinets), als Lyriker («Les Gruyériennes»)und als Journalist. So nahm er im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 mit seinem «Tagebuch eines Neutralen»genau jene Position vorweg, die Seippel und Spitteler 1914 vertreten sollten: strikte Neutralität gegen aussen zugunsten einer möglichst grossen Einheit zwischen Deutsch und Welsch im Innern.