Max Rychner
*Lichtensteig (SG) 8.4.1897, Zürich 10.6.1965, Literaturhistoriker und Schriftsteller. R. studierte 1916-21 Geschichte, Literatur in Zürich und Bern (1922 Dr. phil). 1922-32 war er Chefredaktor der »Neuen Schweizer Rundschau«, 1933 Feuilletonredaktor der »Köln. Zeitung«, 1933-37 Sonderkorrespondent der NZZ in Köln, 1937-39 beim Berner »Bund« und ab 1939 Chef der Feuilletonredaktion bei der Zürcher Zeitung »Die Tat«. R. setzte sich, H. von Hofmannsthal, R.A. Schröder und P. Valéry (R. übersetzte »Monsieur Teste«) bes. verbunden, in seinen Essays für die klass. Weltliteratur ein. Er wirkte auch als Mittler zw. dt. und frz. Geisteswelt, darin ein Weggefährte von E.R. Curtius, und bemühte sich um die Verbindung von Tradition und Moderne. Seine eigenen Dichtungen, teils autobiograph., teils von der »poésie pure« inspiriert, den Einfluss von G. Benn nicht verleugnend, gehörte zum Unprovinziellen der damaligen Schweizer Literatur. R. bildete mit E. Jaeckle, W. Meier, E. Staiger u.a. den Freundeskreis der im »Odeon« tagenden »Zürcher Freitagsrunde«, war aber auch Mgl. der Dt. Akademie für Sprache und Dichtung. - Werke: Karl Kraus (1924). Essays: Zur europ. Literatur zw. zwei Weltkriegen (1942), Zeitgenöss. Literatur (1947), Welt im Wort (1948), Sphären der Bücherwelt (1952), Arachne (1957), Antworten (1961), Zw. Mitte und Rand (1964). Lyrik: Die Schäferin (1943), Glut und Asche (1946), Die Ersten (1949), Bedachte und bezeugte Welt (1962, Slg. von Ged., Aufsätzen). Aufsätze zur Literatur (1966), C.J. Burckhardt und M.R.: Briefe 1926-65 (1970). »Bei mir laufen die Fäden zusammen«. Literarische Aufsätze, Kritiken, Briefe. Hrsg. Roman Bucheli (1998)
Lit.: Jaeckle, E.: Die Zürcher Freitagsrunde, Zürich 1975; ders.: Zeugnisse zur Freitagsrunde, Zürich 1975; Siebert, W.: M.-R.-Bibliographie, Bern 1986; Bucheli, R.: Zum 100. Geburtstag von M.R., in: NZZ, 5./6.4.1997.
(Schweizer Lexikon)
Rychner, Max
* 8. 4. 1897 Lichtensteig/Kanton St. Gallen, 10. 6. 1965 Zürich; Grabstätte: ebd., Friedhof Fluntern. - Journalist, Lyriker, Essayist.
Der Sohn eines Landarztes studierte in Bern u. Zürich Germanistik (Dr. phil. 1921) u. war 1922-1931 Redakteur der in Zürich erscheinenden Zeitschrift »Wissen und Leben« (ab 1926 »Neue Schweizer Rundschau«), die er mit Beiträgern wie Ernst Robert Curtius u. Paul Valéry zu einem bedeutenden Forum ausbaute. Ab 1931 lebte R. in Köln, zunächst als Redakteur der »Kölnischen Zeitung« u. 1933-1937 als Korrespondent der »Neuen Zürcher Zeitung«. Nach einem Zwischenspiel am Feuilleton des Berner »Bund« leitete er 1939-1962 die Kulturredaktion der Zürcher »Tat«. Diese von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler finanzierte Tageszeitung gab R. den Spielraum für ein Feuilleton, das sich an einer großen europ. Tradition orientierte, aber auch Neuem u. Unkonventionellem (Celan, Gwerder) offenstand. Nach 1945 wuchs R., dem Schweizer Homme de lettres, dessen Essays ihres weiten Horizonts u. ihrer formalen Brillanz wegen gerühmt wurden, die Rolle einer neutralen, von ästhetischer u. nicht von polit. Warte aus urteilenden Instanz zu, was u. a. auch Autoren zugute kam, die wie Benn durch den Nationalsozialismus mehr oder weniger kompromittiert waren. »Er gilt als der maßgeblichste internationale Kritiker und Recensent innerhalb der deutschen Literatur«, schrieb Benn am 7. 8. 1949 an Friedrich Wilhelm Oelze. Zum Erfolg des Kritikers R. trug wohl wesentlich bei, daß er, ähnlich wie Emil Staiger u. Fritz Ernst, mitten im Scherbenhaufen der »Stunde Null« unbeirrt an seiner subjektiv gefühlsmäßigen, das Kunstwerk zum überzeitl. Ereignis statuierenden Methode des »Bewunderns« festhielt u. diese einer auch soziologisch argumentierenden Analyse vorzog. »Im Element der Bewunderung vollzieht sich die Überlieferung. So wie der Bewundernde im Bewunderten lebt, so dieser einzig in ihm. Homer ist tot, wo er nicht geliebt wird« (Bewundern. In: Sphären der Bücherwelt. Aufsätze zur Literatur. Zürich 1952). Mit Gedichten, die »über Beschwörungen des Zeitgeistes zu den uralt ewigen Vorwürfen hin durchfinden« (Erwin Jaeckle), trat er u. a. mit Freundeswort (ebd. 1941) u. Die Ersten. Ein Epyllion (ebd. 1949. 1974) auch als formbewußter Lyriker in Erscheinung. 1961 erhielt R. den Literaturpreis der Stadt Zürich.
WEITERE WERKE: Essays: Zur europ. Lit. zwischen zwei Weltkriegen. Zürich 1943. 1951. - Zeitgenöss. Lit. Ebd. 1947. - Welt im Wort. Ebd. 1949. - Arachne. Aufsätze zur Lit. Ebd. 1957. - Antworten. Aufsätze zur Lit. Ebd. 1961. - Bedachte u. bezeugte Welt. Darmst. 1962. - Zwischen Mitte u. Rand. Zürich 1964. - Aufsätze zur Lit. Ebd. 1966. - Briefe: Carl J. Burckhardt - M. R.: Briefe 1926-65. Ffm. 1970. - Gottfried Benn - M. R.: Briefw. 1930-56. Stgt. 1986. - Ernst Robert Curtius - M. R.: Aus dem Briefw. Bearb. v. Claudia Mertz-Rychner. Marbach 1987 (= Marbacher Magazin 41, Beiheft).
LITERATUR: Hans Wolffheim: Gelebte Bewunderung. In: Manfred Schlösser (Hg.): Bedachte u. bezeugte Welt. Darmst. 1962, S. 13-36. Erwin Jaeckle: Die Zürcher Freitagsrunde. Zürich 1975. - Ders.: M. R. In: Zeugnisse zur Freitagsrunde. Ebd. 1984. - Werner Siebert: M. R. Eine Bibliogr. Bern 1986. - M. R. u. Zürich zum Beispiel. Bearb. Gerhard Schuster. Marbach 1987 (= Marbacher Magazin 41).
(Bertelsmann Literaturlexikon)