Es will nicht werden wie die die verlogenen Spiesser in ihren vornehmen Häusern, das römische Strassenmädchen mit dem androgynen Körper und den kurzen Haaren, das alle nur Scam-polo nennen: «ein Fetzen Stoff, zu wenig für ein Kleid, zu viel für eine Bluse», ein Mädchen, «für ein Kind schon zu erwach-sen, für eine Frau noch zu jung». Mick aus «Das Herz ist ein einsamer Jäger» von Carson McCullers, Eliza aus G.B. Shaws «Pygmalion» und natürlich der Cherubino aus «Le Nozze di Figaro» kommen einem in den Sinn, wenn man die frühreifen Sprüche liest, mit denen die junge Frau im gleichnamigen, am 3.Dezember 1915 in Mailand uraufgeführten Theaterstück die Frauen verärgert und die Männer zu mal erotischen, mal väter-lichen Gefühlen verführt. Zwei Paare, Tito und Franca bzw. Em-ilia und Giulio Berni, bringt der Wirbelwind durcheinander, und am Ende bedauert man fast ein wenig, dass Scampolo die wilden Allüren und das rebellische Gehabe preisgibt und mit Tito, der als Eisenbahningenieur nach Lybien fährt, eine kon-ventionelle Beziehung eingeht, ja sogar jahrelanges Warten auf sich nimmt, damit der Zukünftige in der Kolonie die vaterländi-schen Pflichten erfüllen kann.
Dario Niccodemi hiess der Autor des Stücks. Er war am 27. Ja-nuar 1874 in Livorno zur Welt gekommen und hatte bis 1900 in Buenos Aires gelebt, wo er erste Stücke auf Spanisch schrieb. Als Sekretär der Schauspielerin Régane (Gabrielle Charlotte Réju) kam er nach Italien zurück, war zwischen 1913 und 1925 einer der meistgespielten Dramatiker Italiens und reiste auch mit einer eigenen Truppe herum, ehe er am 24.September 1934 mit sechzig Jahren in Rom starb. «Scampolo» war nicht so sehr der nymphomanisch-jünglingshaften Titelfigur wegen, sondern vor allem auch mit seinem nationalistischen, die Kolonien als Zukunft Italiens preisenden Tenor Niccodemis grösster Hit. Eine Tendenz, die natürlich eliminiert war, als Alfred Weidmann «Scampolo» 1957 mit der ganz und gar nicht androgynen Romy Schneider zu einem harmlosen Filmspass verkitschte.