Wolfgang Langhoff

Zürich hat viele Berühmtheiten mit Gedenktafeln geehrt. An der Rütistrasse 42 aber vermisse ich eine. Es müsste darauf stehen: »Hier lebte 1934-1945 der Schauspieler und Schriftsteller Wolfgang Langhoff. Er verkörperte im Schauspielhaus die jugendlichen Helden und gab 1935 mit seinem Buch Die Moorsoldaten der Welt erstmals Kunde von den unmenschlichen Greueln in den nationalsozialistischen deutschen Konzentrationslagern.«
Langhoff sollte, wie er in seinem Buch berichtet, am 28. Februar 1933 den Franz Moor in Schillers Räubern spielen, als er verhaftet und ins Düsseldorfer Gefängnis gebracht wurde. Dass er Kommunist war und auch vor Arbeitern gespielt hatte, war ihm zum Verhängnis geworden und brachte es nun mit sich, dass er als einer der ersten die schreckliche Wahrheit über Hitlers Terrorstaat erfahren musste. Sein Buch zeigt anschaulich, wie er das Unglaubliche nur langsam für wahr zu halten beginnt, bis er sich angesichts blutüberströmter Mitgefangener und nachdem man ihm selbst sämtliche Zähne ausgeschlagen hat, resigniert sagen muss: »So ist das also!« Er gibt jede Hoffnung auf und versucht im KZ Börgermoor, wo man ihn ohne Urteil hinschleppt, das Beste aus der Situation zu machen. Er verhält sich solidarisch zu den Kameraden und sucht menschliche Würde zu wahren, solange es geht. Vor allem aber beobachtet er scharf und genau: die Häftlinge, aber auch ihre Pelniger. Gerade weil er auch als Erzähler nüchtern und sachlich bleibt, wirkt sein Buch auch heute noch erschütternd aufreden, der es liest. Langhoff wurde an Ostern 1934 überraschend freigelassen und gelangte auf abenteuerlichem Wege nach Zürich, wo er bald ein gefeiertes Mitglied des Schauspielhaus-Ensembles war. Im Sommer 1935 diktierte er seinen Bericht einer Sekretärin des Schweizer Spiegel-Verlags. Huber und Guggenbühl druckten das Buch aber erst, nachdem sie in Paris einen weiteren ehemaligen Börgermoor-Häftling ausfindig gemacht hatten, der Langhoffs Aussagen bestätigte. Ausserdem fügten sie dem »unpolitischen Tatsachenbericht« faksimiliert eine handgeschriebene Erklärung Langhoffs bei, auf der dieser schwor, »die reine Wahrheit zu sagen«.
Obwohl von dem Buch 30 000 Exemplare verkauft und zwölf Übersetzungen hergestellt wurden, ging man bald wieder zur Tagesordnung über. Was sie 1935 hätte tun müssen, tat die offizielle Schweiz sage und schreibe am 6. Februar 1945: sie protestierte in Berlin gegen KZs und Judenvernichtung! Als Langhoff 1935 mit seinem Buch auf Tournee gehen wollte, verbot ihm dies die Polizei, und 1936 entging er seiner Ausweisung nur, weil Schauspielhausdirektor Rieser ihn in seiner Villa versteckte. Nach dem Krieg verzichtete Langhoff auf eine sichere Schweizer Zukunft und versuchte seine humanen Vorstellungen in der DDR zu realisieren. Er scheiterte, und es mutet wie eine Ironie des Schicksals an, dass Ulbricht ihn u. a. deshalb aller seiner Ämter enthob, weil er damals in der Schweiz »zu einer mittelbaren Unterstützung des Klassenfeindes« beigetragen habe.

Die Moorsoldaten sind bei Röderberg, Köln, sowie im Verlag Neuer Weg, Düsseldorf, greifbar. (Literaturszene Schweiz)