Gott liebt die Frömmler nicht: Selma Lagerlöf (1858-1940)

«Er habe Christus geliebt und gezeigt, dass er alles in der Welt opfern könne, um ihm nachzufolgen. Aber die rechte Menschenliebe habe er nie gekannt. Und wer ein Nachfolger Christi sein wolle, ohne die Menschen zu lieben, müsse durchaus nicht nur sich selbst, sondern auch andere ins Elend führen.» - Die Rede ist von Pfarrer Karl Artur Ekenstedt, der seiner Verlobten Charlotte Löwensköld einst im Zorn geschworen hatte, das erste weibliche Wesen zu heiraten, das ihm begegnen würde - und der daraufhin Anna, die Hausiererin aus Dalarne, geheiratet hatte. Wider Erwarten war sie eine tüchtige Pfarrfrau geworden, aber Thea Sundler, einer eifersüchtigen Rivalin, gelang es, ihr Ekenstedt abspenstig zu machen und in die unstete Existenz eines Wanderpredigers zu entführen. Erst als Charlotte Löwensköld ihren Einfluss geltend macht, löst er sich von Thea, geht nach Afrika und nähert sich nach der Rückkehr als geläuterter Mensch Anna wieder an. 1928 erschienen, bildete der leidenschaftliche Ehe- und Liebesroman «Anna Svärd» den Abschluss der 1925 mit «Löwensköldska ringen» und «Charlotte Löwensköld» begonnenen Trilogie von Selma Lagerlöf (1858-1940), der Literaturnobelpreisträgerin von 1909. Es ist ein Spätwerk, das nochmals an die sprühende Vitalität des Erstlings «Gösta Berling» von 1891, in seiner glühenden Gottsuche aber vor allem an «Jerusalem» (1901) erinnert, die Geschichte von Bauern aus Dalarne, die von der pietistischen Erweckung ins Heilige Land getrieben werden. Und die Landschaft, die «Anna, das Mädchen aus Dalarne» evoziert, ist natürlich jene, die Selma Lagerlöf 1907 schon in «Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen» beleuchtet hat. Mårbacka, der Hof, wo sie Kindheit und Alter verlebte, ist längst ein schwedisches Nationalmuseum, und es ist eigentlich merkwürdig, wie wenig ausserhalb Schwedens heute von dieser grossen Autorin noch die Rede ist.